Ein interessanter Beitrag in SWR hat sich mit den Ballaststoffen beschäftigt...
http://www.swr.de/odysso/archiv/2007/01/11/beitrag.html
Zuviel "gesunde Ernährung"
Der Mythos von den Ballaststoffen
Ballaststoffe in der Nahrung gelten als sehr gesund und sollten, wenn es nach den allgemeinen Ernährungeempfehlungen geht, Teil jeder Ernährung sein. Denn angeblich stimulieren sie die Verdauung, schützen vor Darmkrebs und senken überhöhte Cholesterinwerte. Doch was sich so gut anhört, können neueste Studien nur sehr vage bis gar nicht belegen.
Bei Kathrin Lukschandel hat gesunde Kost eher unerwartete Folgen
Ganz im Gegenteil können hohe Ballaststoffmengen über Jahre hinweg uns sogar krank machen. Die Innsbruckerin Kathrin Lukschandel ist da kein Einzelfall. Seit Jahren achtet sie auf gesunde Ernährung und isst - laut Empfehlung - sehr ballaststoffreich. Am liebsten mag sie morgens ihr Müsli mit viel frischem Obst und einem Schuss Joghurt. Allerdings hat die gesunde Kost bei ihr eher unerwartete Folgen: "Wenn ich in der Früh schon mit Vollkronbrot und ganz normalem Müslifrühstück beginn, dann ist das meistens so, dass ich's nach ein bis zwei Stunden im Magen schon spür. Es geht dann in den Bauch runter und kann Krämpfe auslösen. Das kann zwei Stunden oder auch drei Tage dauern", beschreibt die 26-jährige ihr Problem, das ihr seit knapp drei Jahren zu schaffen macht.
Rechnung meist ohne den Darm gemacht
Fälle wie diesen erlebt der Innsbrucker Ernährungsmediziner Professor Maximilian Ledochowski sehr oft. Bei den Untersuchungen stellt er fest, dass der Darm seiner Patienten größere Ballaststoffmengen nicht mehr bewältigen kann. Nach seiner Erkenntnis übertreiben wir es heute mit der so genannten "gesunden Ernährung". Wer wie Kathrin Lukschandel versucht, sich an die Empfehlungen zu halten, hat die Rechnung meist ohne den Darm gemacht.
"Das Kernproblem liegt darin, dass eine Empfehlung ausgegeben wird, viele Ballaststoffe zu essen", erklärt Prof. Ledochowski. "Jetzt versucht die Lebensmittelindustrie, ihre Produkte wertvoller zu machen und reichert diese mit Ballaststoffen an. Wenn das ein Hersteller macht, ist das in der Regel kein Problem. Wenn aber alle oder die meisten Lebensmittelhersteller auf diesen Zug aufspringen, haben wir in der Summe zu viel Ballaststoffe. Und das führt dann zu Bauchbeschwerden, Reitzdarmsymptomatik, Blähungen und so weiter." Sind Ballaststoffe also doch nicht so gesund? Woher kommt dann der Glaube, sie seien ein idealer Schutz vor Darmkrebs?
Angefangen hat alles mit dem britischen Tropenarzt Denis Burkitt Ende der 60er Jahre. Er beobachtete, dass afrikanische Ureinwohner mehr faserreiche Nahrung aßen als Europäer. Sie hatten mehr Stuhlgang und erkrankten viel seltener an Darmkrebs. Er schloss daraus, dass eine ballaststoffreiche Ernährung bestimmte Krankheiten verhindern könne. Burkitts falsche Hypothese wurde zur allgemeinen Lehrmeinung.
Täglich 21 Schüsseln Salat
Bis heute empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung mindestens 30 Gramm Ballaststoffe am Tag. Die stecken zum Beispiel in je 30 Vollkornzwiebäcke, 17 gehäuften Esslöffeln Weizenkeimen, 30 Esslöffeln Früchtemüsli, anderthalb Kilo Äpfeln, 750 Gramm Cornflakes oder 21 Schüsseln Salat. Und das, obwohl neuere Studien den Mythos vom positiven Effekt der Ballaststoffe längst zerplatzen ließen. "Es gab ursprünglich Studien, die gezeigt haben, dass Ballaststoffe vor Darmkrebs schützen", erklärt Prof. Ledochowski. "In letzter Zeit sind gut publizierte Studien und großangelegte Studien durchgeführt worden, die diesen Zusammenhang nicht bestätigen konnten. Das heißt: Möglicherweise quält man die Patienten unnötig mit hohen Ballaststoffanteilen in ihrer Nahrung."
Auch die cholesterinsenkende Wirkung hat sich nicht bestätigt. Ebenso wenig wie der Schutz vor Osteoporose. Im Gegenteil: Ballaststoffe binden Kalzium ab und hemmen dadurch dessen Aufnahme. Somit kann das Kalzium, das in der Osteoporoseprophylaxe so hoch gepriesen wird, seine Wirkung nicht entfalten. Wer, wie Kathrin Lukschandel, über Jahre hinweg große Ballaststoffmengen isst, kann sogar krank werden. Denn sie sind keineswegs nur unnötiger Ballast, der den Körper unverändert wieder verlässt. Ballaststoffe wandern in den Dickdarm und werden dort von Bakterien größtenteils vergoren. Dabei entstehen Gase - unter anderem Kohlendioxid. Je mehr Ballaststoffe wir essen, um so mehr blähen die Gase den Dickdarm auf. So stark, dass die Klappe zwischen Dick- und Dünndarm nicht mehr richtig schließt. Der Nahrungsbrei fließt zurück in den Dünndarm. Dort verursachen die Dickdarmbakterien heftige Abwehrreaktionen. Es kommt zu einer Entzündung.
Ständige Entzündung im Darm
Diese ständige Entzündung im Darm macht auch Kathrin Lukschandel zu schaffen. Immer wieder leidet sie unter Verstopfung, Blähungen oder Durchfall und braucht ärztliche Behandlung. "Diese Reizdarmsyndrome werden nach der derzeitigen Lehrmeinung als sehr harmlos hingestellt", erklärt Prof. Maximilian Ledochowski. "Es darf aber nicht vergessen werden, dass Reizdarmsyndrome mit ganz milden Entzündungsreaktionen einhergehen. Und diese Entzündungsreaktionen können sekundär zu Krankheiten führen wie Diabetes, wie Übergewicht, wie Depressionen - alles Erkrankungen, die wir als Zivilisationserkrankungen kennen."
Die gängigen Ernährungsempfehlungen passen nun mal nicht auf jeden. Für Kathrin Lukschandel war es zu viel Ballast. Was als gesund gilt, muss sie jetzt weglassen. Nur dann geht es ihr gut: "Am besten geht's mir, wenn ich viel Fleisch esse und wenig als Beilage dazu. Wenig Nudeln, wenig Reis, ein bisschen Salat, etwas Gemüse. Da muss ich aber auch aufpassen, das muss ziemlich durchgekocht sein. Viel Fleisch, Wurst, Käse - also das, wovon man eigentlich sagt das ist ungesund, das tut mir gut."
Untersuchung auf andere Unverträglichkeiten
Der Ernährungsmediziner Maximilian Ledochowski untersucht bei seinen Behandlungen stets, ob neben der Ballaststoff-Unverträglichkeit noch andere Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten vorliegen: "Dann wird man eine entsprechende Diät einhalten. Wenn man damit nicht auskommt, ist es manchmal in seltenen Fällen notwendig, dass man die Darmflora mit Antibiotika zerstört und nachher wiederum neu aufbauen lässt. Dann sollte es den Menschen in vielen Fällen besser gehen."
Essen ohne Ballaststoffe? Das klappt nicht einmal bei Kathrin Lukschandel, denn Ballaststoffe sind in den meisten Lebensmitteln enthalten. Allerdings gibt es auch keinen Grund, Ballaststoffe zu verteufeln. Jeder Mensch reagiert schließlich anders. Daher ist es auch besser, auf den eigenen Körper zu hören anstatt auf allgemeine Ernährungsempfehlungen.
Autorin:
Andrea Wengel
http://www.swr.de/odysso/archiv/2007/01/11/beitrag.html
Zuviel "gesunde Ernährung"
Der Mythos von den Ballaststoffen
Ballaststoffe in der Nahrung gelten als sehr gesund und sollten, wenn es nach den allgemeinen Ernährungeempfehlungen geht, Teil jeder Ernährung sein. Denn angeblich stimulieren sie die Verdauung, schützen vor Darmkrebs und senken überhöhte Cholesterinwerte. Doch was sich so gut anhört, können neueste Studien nur sehr vage bis gar nicht belegen.
Bei Kathrin Lukschandel hat gesunde Kost eher unerwartete Folgen
Ganz im Gegenteil können hohe Ballaststoffmengen über Jahre hinweg uns sogar krank machen. Die Innsbruckerin Kathrin Lukschandel ist da kein Einzelfall. Seit Jahren achtet sie auf gesunde Ernährung und isst - laut Empfehlung - sehr ballaststoffreich. Am liebsten mag sie morgens ihr Müsli mit viel frischem Obst und einem Schuss Joghurt. Allerdings hat die gesunde Kost bei ihr eher unerwartete Folgen: "Wenn ich in der Früh schon mit Vollkronbrot und ganz normalem Müslifrühstück beginn, dann ist das meistens so, dass ich's nach ein bis zwei Stunden im Magen schon spür. Es geht dann in den Bauch runter und kann Krämpfe auslösen. Das kann zwei Stunden oder auch drei Tage dauern", beschreibt die 26-jährige ihr Problem, das ihr seit knapp drei Jahren zu schaffen macht.
Rechnung meist ohne den Darm gemacht
Fälle wie diesen erlebt der Innsbrucker Ernährungsmediziner Professor Maximilian Ledochowski sehr oft. Bei den Untersuchungen stellt er fest, dass der Darm seiner Patienten größere Ballaststoffmengen nicht mehr bewältigen kann. Nach seiner Erkenntnis übertreiben wir es heute mit der so genannten "gesunden Ernährung". Wer wie Kathrin Lukschandel versucht, sich an die Empfehlungen zu halten, hat die Rechnung meist ohne den Darm gemacht.
"Das Kernproblem liegt darin, dass eine Empfehlung ausgegeben wird, viele Ballaststoffe zu essen", erklärt Prof. Ledochowski. "Jetzt versucht die Lebensmittelindustrie, ihre Produkte wertvoller zu machen und reichert diese mit Ballaststoffen an. Wenn das ein Hersteller macht, ist das in der Regel kein Problem. Wenn aber alle oder die meisten Lebensmittelhersteller auf diesen Zug aufspringen, haben wir in der Summe zu viel Ballaststoffe. Und das führt dann zu Bauchbeschwerden, Reitzdarmsymptomatik, Blähungen und so weiter." Sind Ballaststoffe also doch nicht so gesund? Woher kommt dann der Glaube, sie seien ein idealer Schutz vor Darmkrebs?
Angefangen hat alles mit dem britischen Tropenarzt Denis Burkitt Ende der 60er Jahre. Er beobachtete, dass afrikanische Ureinwohner mehr faserreiche Nahrung aßen als Europäer. Sie hatten mehr Stuhlgang und erkrankten viel seltener an Darmkrebs. Er schloss daraus, dass eine ballaststoffreiche Ernährung bestimmte Krankheiten verhindern könne. Burkitts falsche Hypothese wurde zur allgemeinen Lehrmeinung.
Täglich 21 Schüsseln Salat
Bis heute empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung mindestens 30 Gramm Ballaststoffe am Tag. Die stecken zum Beispiel in je 30 Vollkornzwiebäcke, 17 gehäuften Esslöffeln Weizenkeimen, 30 Esslöffeln Früchtemüsli, anderthalb Kilo Äpfeln, 750 Gramm Cornflakes oder 21 Schüsseln Salat. Und das, obwohl neuere Studien den Mythos vom positiven Effekt der Ballaststoffe längst zerplatzen ließen. "Es gab ursprünglich Studien, die gezeigt haben, dass Ballaststoffe vor Darmkrebs schützen", erklärt Prof. Ledochowski. "In letzter Zeit sind gut publizierte Studien und großangelegte Studien durchgeführt worden, die diesen Zusammenhang nicht bestätigen konnten. Das heißt: Möglicherweise quält man die Patienten unnötig mit hohen Ballaststoffanteilen in ihrer Nahrung."
Auch die cholesterinsenkende Wirkung hat sich nicht bestätigt. Ebenso wenig wie der Schutz vor Osteoporose. Im Gegenteil: Ballaststoffe binden Kalzium ab und hemmen dadurch dessen Aufnahme. Somit kann das Kalzium, das in der Osteoporoseprophylaxe so hoch gepriesen wird, seine Wirkung nicht entfalten. Wer, wie Kathrin Lukschandel, über Jahre hinweg große Ballaststoffmengen isst, kann sogar krank werden. Denn sie sind keineswegs nur unnötiger Ballast, der den Körper unverändert wieder verlässt. Ballaststoffe wandern in den Dickdarm und werden dort von Bakterien größtenteils vergoren. Dabei entstehen Gase - unter anderem Kohlendioxid. Je mehr Ballaststoffe wir essen, um so mehr blähen die Gase den Dickdarm auf. So stark, dass die Klappe zwischen Dick- und Dünndarm nicht mehr richtig schließt. Der Nahrungsbrei fließt zurück in den Dünndarm. Dort verursachen die Dickdarmbakterien heftige Abwehrreaktionen. Es kommt zu einer Entzündung.
Ständige Entzündung im Darm
Diese ständige Entzündung im Darm macht auch Kathrin Lukschandel zu schaffen. Immer wieder leidet sie unter Verstopfung, Blähungen oder Durchfall und braucht ärztliche Behandlung. "Diese Reizdarmsyndrome werden nach der derzeitigen Lehrmeinung als sehr harmlos hingestellt", erklärt Prof. Maximilian Ledochowski. "Es darf aber nicht vergessen werden, dass Reizdarmsyndrome mit ganz milden Entzündungsreaktionen einhergehen. Und diese Entzündungsreaktionen können sekundär zu Krankheiten führen wie Diabetes, wie Übergewicht, wie Depressionen - alles Erkrankungen, die wir als Zivilisationserkrankungen kennen."
Die gängigen Ernährungsempfehlungen passen nun mal nicht auf jeden. Für Kathrin Lukschandel war es zu viel Ballast. Was als gesund gilt, muss sie jetzt weglassen. Nur dann geht es ihr gut: "Am besten geht's mir, wenn ich viel Fleisch esse und wenig als Beilage dazu. Wenig Nudeln, wenig Reis, ein bisschen Salat, etwas Gemüse. Da muss ich aber auch aufpassen, das muss ziemlich durchgekocht sein. Viel Fleisch, Wurst, Käse - also das, wovon man eigentlich sagt das ist ungesund, das tut mir gut."
Untersuchung auf andere Unverträglichkeiten
Der Ernährungsmediziner Maximilian Ledochowski untersucht bei seinen Behandlungen stets, ob neben der Ballaststoff-Unverträglichkeit noch andere Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten vorliegen: "Dann wird man eine entsprechende Diät einhalten. Wenn man damit nicht auskommt, ist es manchmal in seltenen Fällen notwendig, dass man die Darmflora mit Antibiotika zerstört und nachher wiederum neu aufbauen lässt. Dann sollte es den Menschen in vielen Fällen besser gehen."
Essen ohne Ballaststoffe? Das klappt nicht einmal bei Kathrin Lukschandel, denn Ballaststoffe sind in den meisten Lebensmitteln enthalten. Allerdings gibt es auch keinen Grund, Ballaststoffe zu verteufeln. Jeder Mensch reagiert schließlich anders. Daher ist es auch besser, auf den eigenen Körper zu hören anstatt auf allgemeine Ernährungsempfehlungen.
Autorin:
Andrea Wengel