Lob des Lobes

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PerditaX

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http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/43029/Lob-des-Lobs

New York ist natürlich per se eine erhebende Stadt, aber ein wichtiger Grund dafür, dass man sich dort sehr oft glücklich bis euphorisch fühlt, hat damit zu tun, dass die Bewohner dieser Stadt das Komplimentieren zur Kunstform erhoben haben. Wohin man auch geht, was man auch tut, immer wieder sagt einem ein fremder Mensch etwas Nettes. Die Sneaker, die Tasche, die Tattoos, die Ausführung der Yogaübung, die Meisterung der fremden Sprache, alles kann zum Grund für ein Kompliment werden. »Oh, I love your necklace!« – »Oh, thank you!« Es ist nur eine Meinung, aber sie verändert alles. Es ist, als würde einem aus heiterem Himmel ein Blumensträußchen überreicht. Einfach so. Weil’s Freude macht. Weil’s schön ist. Und es ist schön. Und es macht Freude. Die Schritte werden ein bisschen leichter, der Rest des Tages ein bisschen heller, die nächste Hürde ein bisschen kleiner, die Liebe ein bisschen größer.

Szenenwechsel nach Unteroberursel oder Sonstwie-Deutschland. »Das ist ja eine … spezielle Jacke«, sagt die Frau, und die andere: »Ja, hast recht … ich bin auch noch unentschlossen, was ich von ihr halten soll.«

Oder so: »Hey, super Jacke!«, und die andere: »Echt? Ich weiß nicht … irgendwie finde ich, sie macht mich so breit.«

Oder so: »Tolle Jacke hast du an«, und der andere: »Du mich auch.«

Wäh-wäh.

Den Umgang mit Komplimenten hat in Deutschland niemand drauf. Man tut sich hier schwer damit, welche zu geben, und fast noch blöder stellt man sich dabei an, sie zu empfangen. Warum eigentlich? Aus Furcht, oberflächlich zu erscheinen? Ist dieser Dünkel immer noch so stark, dass man glaubt, es koste in den Augen des Gegenübers IQ-Punkte, wenn man sich für Äußerlichkeiten interessiert? Oder gar Mühe und Geld dafür aufwendet? Es ist schon seltsam: Einerseits will man sich abheben, seine Individualität betonen, seinen eigenen, wiedererkennbaren Stil haben, und gleichzeitig ist es wahnsinnig unangenehm, wenn man auf ein auffälliges Stück angesprochen wird.

Vielleicht herrscht auch einfach ein komisches Bild davon, welche Kriterien ein Kompliment genau erfüllen muss. Ehrlich sollte es sein, oder? Aber das ist genau das, was den Amerikanern vorgeworfen wird: dass sie eben nicht ehrlich sind, sondern nur aus Gefallsucht komplimentieren. Aber vielleicht ist der deutsche Begriff von Ehrlichkeit zu eng gefasst. Natürlich ist es besser, nicht zu sagen, die Frisur sei super, wenn man mit Mühe das Würgen unterdrücken muss. Aber es muss doch auch nicht die beste Frisur sein, die man je gesehen hat.

Komplimente schaffen eine positive Atmosphäre, sie erleichtern alles, was darauf folgt. Sie sind Zeichen dafür, dass gute, schöne, lobenswerte Dinge wahrgenommen werden. Es ist tief im Menschen verankert, nach Lob zu streben, und doch gehen die meisten so knausrig damit um, als wäre der Vorrat begrenzt. Dabei ist es eine Win-win-Situation: Der Empfangende kann sich über das Kompliment freuen und der Gebende darüber, dass er jemandem eine Freude gemacht hat – und fortan wahrscheinlich als »nett« oder »sympathisch« bezeichnet wird.

Natürlich gibt es Fallstricke. Komplimente sind enorm kontextabhängig: Einer Frau zu sagen, ihr Hintern sehe toll aus, KANN ein gutes Kompliment sein in der Bar um zwei Uhr morgens. Naturgemäß sind intergeschlechtliche Komplimente verzwickter, weil da der Verdacht naheliegt, es gehe um mehr als nur darum, freundlich zu sein. Genau das birgt aber auch Möglichkeiten: Wenn Sie als Mann einer Frau ein schönes Kompliment machen und sie danach komplett in Ruhe lassen oder gar verschwinden, dann wird diese Frau ein Leben lang für Sie schwärmen.

Wer keine Komplimente gibt, hat es sich ungemütlich eingerichtet in seiner Verkorkstheit. Noch schlimmer ist es aber, ein Kompliment nicht anzunehmen, es zu relativieren (»Das alte Ding?«), zu widerlegen (»Was? Ich hasse diese Hose, aber alle anderen sind in der Wäsche.«) oder zu ignorieren. Denn damit sagt man dem Komplimentierenden, seine Meinung sei falsch oder nicht wichtig, und er oder sie wird in Zukunft nicht so schnell wieder jemanden loben. Und unsere Welt wird noch ein bisschen trauriger. Es gibt also eine moralische Pflicht, ein Kompliment anzunehmen. Ein Lächeln, »Oh, thank you!« – easy as that.
 
Ist schon wieder Sommerloch?
Über was die Journallie so schreibt. Dafür gibt es keine Komplimente.

Ich bin ein sehr kritischer Mensch und dazu bis zum eigenen Schaden ehrlich.
Ich mache keine Komplimente, ich sage meine Meinung und die ist oft nicht so, dass es für den Gegenüber angenehm ist.
Ehrlichkeit kann man kaum eng genug fassen. Wenn mir etwas nicht absolut gefällt, dann werde ich dafür auch keine Sympathie zum Ausdruck bringen. Wenn mir etwas nicht gefällt, dann halte ich damit nicht hinterm Berg.

Wenn jemand etwas positives von mir hört, dann ist das auch wirklich so gemeint und nicht nur um mal nett zu sein.

Ich kann auch nett sein. (Hatte ich sogar mal auf einem T-Shirt stehen) Aber das ist bei mir nicht zwanghaft und ich bin nie nett um damit anderen zu gefallen.

Man sollte den Leuten nicht mit Halbwahrheiten (also eigentlich Lügen) gefallen, sondern weil man man selber ist.
 
Andere Länder, andere Sitten.

Der Engländer sagt "interesting Suggestion" eigentlich "interessanter Vorschlag" übersetzt und meint "Dir haben Sie wohl ins Gehirn ges******n", der chinese lächelt über deinen Vorschlag und der Inder schüttelt den kopf zustimmend.

Amis sind sehr höflich, drückt aber nicht ihre Meinung aus.
 
Die für mich eher übertrieben wirkende Art der Nettigkeit der Amerikaner liegt mir auch nicht. Allerdings finde ich, dass man im Alltag viel öfter sagen sollte, wenn einem was gefällt. Hat nix mit Unehrlichkeit zu tun. Auch nicht mit nett sein, um jemandem zu gefallen - sondern um jemand einen Gefallen zu tun. Das ist was gutes. Wer das nicht braucht, ok. :)
 
Es gibt die Redensart:"Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, sage besser gar nichts." Lange Jahre habe ich gedacht, was ist das denn für ein beknackter Rat? Klar, immer schön einen auf lieb Kind machen und so, ist ja auch bequemer. Aber irgendwann habe ich festgestellt, dass es gar nicht darum geht, lieb und bequem zu sein. Seinem Gegenüber etwas Nettes zu sagen und/oder ein Kompliment zu machen, ist ein Zeichen von Respekt. Diese Geste sollte allerdings auch ehrlich sein und nicht aus Höflichkeit gelogen. Ein echtes Kompliment ist wie eine Blume, ein Bonbon, ein Streicheln und es ist ein Signal "Ich habe dich wahrgenommen". Es bewirkt beim Gegenüber etwas wohltuendes und es streichelt das Ego. Das ist wie mit dem Geld, es nimmt jeder gerne entgegen, Wenige (Deutsche) können damit umgehen und das Geben fällt echt schwer.
 

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