Spezielle Lebensmittel für Diabetiker gibt es bald nicht mehr
14. November 2009, 04:00 Uhr
Wer gesund lebt, kann auf teure und kalorienreiche Diät-Produkte verzichten - Neues Netzwerk bündelt Forschung zur Zuckerkrankheit
Berlin - Über sechs Millionen Menschen leiden in Deutschland an Diabetes, berichtet Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) anlässlich des heutigen Weltdiabetestages. Und die Deutsche Diabetes-Stiftung in München ergänzt: An jedem Tag erkranken in Deutschland fast 1000 Menschen an dem Stoffwechselleiden. Damit habe das Land europaweit die höchste Diabetes-Quote. Rund zwölf Prozent der Bevölkerung zwischen 20 und 70 Jahren seien zuckerkrank.
Die Dunkelziffer bei Typ-2-Diabetes liege bei schätzungsweise 3,5 Millionen Menschen. Das Problem: Diabetes bereitet zu Beginn keinerlei Beschwerden, sodass die Kranken zunächst nichts von dem heraufziehenden Stoffwechselleiden bemerken. Doch was schützt? Das Informationszentrum für Prävention und Früherkennung rät unter anderem, den "Check-up 35" in Anspruch zu nehmen, den alle Krankenversicherten unentgeltlich in Anspruch nehmen können und zu dem eine Laboruntersuchung auf Blutzucker gehört. Auch Apotheken führen gegen eine kleine Gebühr einen Blutzuckertest durch. So kann zu einem frühen Zeitpunkt erkannt werden, ob eine Frühform des Diabetes, eine Insulinresistenz, vorliegt. Dann können Folgeleiden früh verhindert werden.
Unterdessen berichtet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin: Spezielle Lebensmittel für Diabetiker wie "Diät"-Marmeladen, -Brotaufstriche, -Fruchtsäfte, -Weine und -Biere sind nicht nur völlig überflüssig - darüber war sich die Fachwelt schon lange einig -, sie verschwinden im kommenden Jahr auch ersatzlos aus den Supermarktregalen. Sie sind zu fett, zu kalorienreich, zu teuer - kurzum: völlig unnütz, wie das BfR betont.
Jetzt wird die deutsche Diätverordnung aus den 60er-Jahren abgeschafft. Denn das Zuckerverbot sei komplett überholt, die entsprechenden Lebensmittel ebenso, betont Monika Toeller vom Deutschen Diabetes-Zentrum an der Universität Düsseldorf. Der Zucker im Blut komme nicht in erster Linie von zu viel Süßem, sondern entstehe durch Stoffwechselstörungen im eigenen Körper. Und das bedeute: Was der Mensch an "Zucker" über die Ernährung aufnimmt, ist vernachlässigbar im Vergleich zu dem, was Leber und Nieren erzeugen.
Die Diabetikerartikel seien häufig lupenreine Dickmacher, meint auch Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Viele Zuckerkranke hätten keine Ahnung, dass in den Spezialprodukten ungünstige Fette steckten. Sie verleiten zudem zum Übermaß nach dem Motto: "Wenn draufsteht, dass es gesund ist, darf es ruhig ein bisschen mehr sein."
Aktuelles Negativbeispiel: Der Diät-Weihnachtsmann der Firma Riegelein enthält 22 Prozent mehr Fett, fünf Prozent mehr Kalorien und ist 82 Prozent teurer als der Schoko-Nikolaus von Milka. Manche Diabetiker-Süßigkeiten enthielten sogar 41 Prozent mehr Fett und zehn Prozent mehr Kalorien als vergleichbare nicht "diätetische" Produkte, so Schwartau.
Aber wie sollen sich Diabetiker dann ernähren? Wie andere Bürger auch, empfehlen die Experten vom BfR: also wenig Alkohol trinken, nicht zu viel Zucker nehmen, nicht zu fett essen, ein Zuviel an Schokolade, Chips, Wurst und Käse meiden - dafür täglich Obst, Salat und Gemüse, fettarme Milchprodukte bevorzugen, Butter durch Öle ersetzen und viele Ballaststoffe wie Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte essen. Und sich viel bewegen. Dann seien zu Weihnachten auch selbst gebackene Plätzchen, eine Portion Gans und das eine oder andere Gläschen Sekt drin.
Weil die Volkskrankheit zu den großen Herausforderungen unserer Gesellschaft gehört, investiert das Bundesforschungsministerium allein 2009 rund fünf Millionen Euro in den Aufbau des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). "Mithilfe dieses Zentrums wollen wir neue Möglichkeiten der Prävention und Früherkennung ermöglichen, die Entwicklung wirksamer Therapien und die besten Formen der Pflege und Versorgung erforschen."
Mit dem Ende Juni 2009 gegründeten Zentrum werden seine Partner - das Helmholtz-Zentrum in München, das Deutsche Diabeteszentrum in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung in Potsdam, die Universität Tübingen sowie das Universitätsklinikum Dresden - die Diabetesforschung in Deutschland bündeln und erweitern. DW