Dir hat es doch sonst immer so gut gefallen,
was war denn diesmal anders?
Gut gefallen? Ehrlich gesagt, hab ich zu dem Begriff andere Vorstellungen. Der Job als solcher war immer völlig ok, leicht verdientes Geld, und wesentlich angenehmer als den ganzen Tag in öffentlichen Verkehrsmitteln mehr oder weniger gut gelaunte Leutz zu befragen. Außerdem: wenn durch unser 'Spiel' auch nur ein Soldat weniger in einem der Kriegsgebiete getötet wird, ist das der Mühe wert. Ich bin absoluter Pazifist und noch dazu harmoniebedürftige Waage.
Das Umfeld war größtenteils ok; Dumpfbacken findeste auch außerhalb der Box, musste dich nich privat mit abgeben! Viel Arbeitszeit, in der einfach Anwesenheit beim 'Dorfleben' erwartet wird, auch ohne dass Soldaten in der Nähe wären. Manchmal sieht man tagelang keinen. Dann ist für mich lesen angesagt - alle Fachbücher, auf die ich mich zuhause nicht konzentrieren kann, kommen der Reihe nach mit und werden durchgearbeitet. Ein paar wenige anwesende Studenten lernen, Tischtennis wird gespielt oder der Strumpfstrickclub ist aktiv.
Wir hatten diesmal viele neue KollegInnen, manche davon riesig nett und hilfsbereit und mit offenen Augen für alles, was getan werden muss. Der andere Teil, hauptsächlich neue Frauen, hielt sich an keine Vorgaben, interessierte sich weder für Putzlisten für den Frauenschlafsaal und Toilette, hielt die Kleiderordnung nicht ein (in Afghanistan trägt frau nun mal Burka oder tief in die Stirn gezogenes Kopftuch, da werden Spaghettiträgerhemdchen sichtbar, wenn Soldaten kommen, die Pluderhosen sind angeblich noch nicht getrocknet und müssen durch eigene hautenge Leggins ersetzt werden), sie maulten für alles oder auch nichts, von wegen: Rollenspieler!!! Unverschämt und ohne jeglichen Teamgeist. Aber: nach Hause schicken ging nicht, es gab keinen Ersatz (und für jeden, der geht, muss der Ersatz vor Ort eintreffen, wenn der Abreisende ins Auto steigt, um von der Box zum nächstgelegenen Bahnhof gebracht zu werden. Es gibt immer ein paar Replacements auf Vorrat, die schon in der Box sind und die auch dringend gebraucht werden (Todesfälle in der Familie oder Unfälle passieren zuhause ohne Rücksicht darauf, dass ein Familienangehöriger gerade in der Box arbeitet).
Was neu war: Gepäck von Kollegen wurde durchsucht, Sachen gestohlen. Zwei der drei Supervisoren, mit denen wir zu tun hatten, haben sich immer wieder völlig im Ton vergriffen, für nichts und wieder nichts mit Abmahnungen gedroht und diese auch ausgesprochen. Die Stimmung war äußerst gereizt.
Mein Schlafdefizit liegt diesmal bei gut 60 Stunden in 19 Tagen; in den meisten Nächten nicht mehr als drei Stunden Schlaf, ein Mal nur eine Stunde. Ich lag abends nicht später als 19 Uhr im Bett; Wecken täglich um 5 Uhr, Frauenduschzeit 04:30-05:00.
Diesmal waren wir 250 Leute in der Box. Die nächsten Rotationen haben 450 Rollenspieler, d. h.: ca. 250 Neue. Alles auf engstem Raum. Von 10 Neuen brechen erfahrungsgemäß innerhalb der ersten 2-3 Tage 2-3 Leute ab, weil sie sich unter 'Rollenspieler' was anderes vorgestellt haben und sich schon in einer leitenden Rolle in einem Fernsehfilm etc. gesehen haben ...
Ich hab einfach die Faxen dicke. Mich selbst hat niemand angemacht; ich halte mich an die Spielvorgaben (when in Rome, do as the Romans do!). Meine Biografie war sowohl sehr traurig als auch toll und ich konnte mir damit einige Freiheiten erlauben, die für afghanische Frauen eigentlich völlig unmöglich sind. Und das hab ich ausgenützt
Finanziell gesehen bringt mir die Steuererstattung wesentlich mehr, als ich in diesem Jahr noch in der Box hätte verdienen können. 'Kleinigkeiten' an Arbeit werde ich hier im Umkreis auch weiterhin annehmen, aber eben jeden Abend in meinem eigenen Bett schlafen und mich so ernähren, wie ich es für richtig halte.
Ich hab gestern sofort auf Privatier geschaltet und eine komplette Neubepflanzung meiner Balkonkästen durchgeführt, da ich mich jetzt ums Gießen kümmern kann.