Alles über Ess-Störungen

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Toddy

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Achtung, jetzt kommt ein ganz sensibles Thema.

Frage: Was sind Ess-Störungen und wie kann man sie behandeln?

Antwort: Unter Ess-Störungen werden psychosomatische Störungen des Essverhaltens zusammengefasst, die sich besonders bei Mädchen und jungen Frauen manifestieren. Zu den Ess-Störungen zählen die Anorexia nervosa (Magersucht), die Bulimia nervosa (Ess-Brechsucht) und die Binge eating disorder (BED).

Im Vordergrund der Behandlung steht die psychotherapeutische Betreuung.
Eine Ernährungsberatung als Maßnahme zur Behandlung von Ess-Störungen ist keinesfalls ausreichend. Die Schwierigkeit bei den Betroffenen liegt nicht in einem mangelnden Ernährungswissen, sondern vor allem in ihrer Einstellung zum eigenen Körpergewicht bzw. zur eigenen Figur.

Bei der Anorexia nervosa, die vorwiegend zwischen dem 10. und 25. Lebensjahr auftritt, weigern sich die Patientinnen, eine ausreichende Nahrungsmenge zu sich zu nehmen. Bei diesem Essverhalten handelt es sich um ein extrem gezügeltes Essen. Mahlzeiten werden ganz ausgelassen oder es werden nur geringe Mengen von "guten" und "erlaubten" Lebensmitteln verzehrt. Die "schlechten" oder "fett machenden" Lebensmittel werden ausgeschlossen. Insgesamt wird eine strenge und extrem knappe Kaloriengrenze eingehalten. Dieses Essverhalten führt zu einem starken Gewichtsverlust mit der Folge von Untergewicht. Die Patientinnen haben eine gestörte Körperwahrnehmung, oftmals kein Krankheitsbewusstsein und eine panische Angst vor einer Gewichtszunahme. Kennzeichnend ist auch eine gewisse Ruhelosigkeit und ein gesteigerter Bewegungsdrang. Exzessives sportliches Training wird häufig zur Kontrolle des Körpergewichtes eingesetzt. Neben negativen Auswirkungen der Erkrankung im psychischen Bereich wie z. B. Interesseneinengung, Schlafstörungen und Depressionen, können vor allem die körperlichen Folgen der Erkrankung gravierend sein und sogar tödlich enden. Für die Diagnosestellung einer Anorexia nervosa können die in folgenden aufgeführten Kriterien herangezogen werden:

Diagnostische Kriterien für Anorexia nervosa nach DSM-IV (American Psychiatric Association 1994) Weigerung, das Körpergewicht über einem minimalen Normalgewicht zu halten, das Alter und Größe entspricht (z. B. Gewichtsverlust, der dazu führt, dass das Körpergewicht bei weniger als 85 % des zu erwartenden Gewichts gehalten wird, Ausbleiben der Gewichtszunahme in der Wachstumsphase, was zu einem Körpergewicht führt, das weniger als 85 % des zu erwartenden Gewichts ausmacht).
Intensive Furcht vor einer Gewichtszunahme oder davon fett zu werden, obwohl Untergewicht besteht.
Störung in der Art und Weise, in der das eigene Körpergewicht oder die eigene Figur erlebt wird, übermäßiger Einfluss von Körpergewicht oder Figur auf die Bewertung der eigenen Person oder Leugnung des Ernstes des gegenwärtigen niedrigen Körpergewichts.
Amenorrhö bei Frauen und Mädchen nach der Menarche, d. h. Ausbleiben von mindestens drei aufeinanderfolgenden Menstruationszyklen. (Amenorrhö wird bei einer Frau angenommen, wenn ihre Periode nur nach Hormongabe, z. B. von Östrogenen, auftritt.)
Subtypen:
Restriktiver Typ: In der gegenwärtigen Phase der Anorexia nervosa hat die/der Betroffene keine regelmäßigen Essanfälle und praktiziert nicht regelmäßig abführendes Verhalten (selbstherbeigeführtes Erbrechen oder Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika und Einläufen).
Bulimischer Typ (Essanfall/Abführ-Typ): In der gegenwärtigen Phase der Anorexia nervosa hat die/der Betroffene regelmäßige Essanfälle oder praktiziert regelmäßig abführendes Verhalten (selbstherbeigeführtes Erbrechen oder Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika und Einläufen).


Die Bulimia nervosa ist gekennzeichnet durch das wiederholte Auftreten von Essanfällen oder Heißhungerattacken. Bei solchen Essanfällen verschlingen die Patientinnen hastig große Nahrungsmengen. Die Häufigkeit solcher Essanfälle reicht von zweimal pro Woche bis zu mehrmals täglich. Im Verlauf der meist zwischen 15 Minuten und 4 Stunden dauernden Essanfälle werden durchschnittlich zwischen 3 000 und 4 000 Kilokalorien, im Extremfall bis zu 10 000 Kilokalorien verschlungen. Eine Anorexie kann einer Bulimie vorausgegangen sein, das Umgekehrte ist jedoch selten. Sie tritt vorwiegend zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr auf. Für die Diagnosestellung einer Bulimia nervosa können die in folgenden aufgeführten Kriterien herangezogen werden:

Diagnostische Kriterien für Bulimia nervosa nach DSM-IV (American Psychiatric Association 1994) Regelmäßige Essanfälle. Ein Essanfall ist durch folgende zwei Merkmale gekennzeichnet:
In einem abgrenzbaren Zeitraum (z. B. innerhalb von 2 Stunden) wird eine Nahrungsmenge gegessen, die deutlich größer ist als die Menge, die die meisten anderen Leute im selben Zeitraum und unter den gleichen Umständen essen würden.
Während des Essanfalls wird der Verlust der Kontrolle über das Essen empfunden (z. B. das Gefühl, nicht mit dem Essen aufhören zu können oder nicht im Griff zu haben, wieviel gegessen wird).
Regelmäßiges unangemessenes Kompensationsverhalten, um einen Gewichtsanstieg zu vermeiden, wie selbstherbeigeführtes Erbrechen, Mißbrauch von Abführmitteln, Diuretika, Einläufen oder von anderen Medikamenten, Fasten oder exzessiver Sport.
Die Essanfälle und das unangemessene Kompensationsverhalten treten beide im Durchschnitt mindestens 2mal pro Woche für 3 Monate auf.
Die Bewertung der eigenen Person wird durch Figur und Gewicht übermäßig beeinflusst.
Die Störung tritt nicht ausschließlich während einer Phase der Anorexia nervosa auf.
Subtypen:
Abführender Typ: In der gegenwärtigen Phase der Bulimia nervosa praktiziert die Person regelmäßig selbstherbeigeführtes Erbrechen oder den Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika oder Einläufen.
Nicht abführender Typ: In der gegenwärtigen Phase der Bulimia nervosa benutzt die Person anderes unangemessenes Kompensationsverhalten, wie Fasten oder exzessiven Sport, praktiziert aber nicht regelmäßig selbstherbeigeführtes Erbrechen oder den Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika und Einläufen.

Das Essverhalten der Bulimie-Patientinnen ist neben episodischen Essanfällen zumeist durch ein stark gezügeltes Essverhalten charakterisiert. Sie essen sehr wenig oder auch gar nichts, bis eine solche Phase gezügelten Essens durch einen Essanfall unterbrochen wird. Während der Phasen des gezügelten Essens werden häufig solche Lebensmittel gemieden, die als ungesund oder dick machend gelten. Bei einem Essanfall werden jedoch gerade diese Lebensmittel besonders oft verzehrt. Gemeinsam ist den Patientinnen, dass sie versuchen, die Folgen der Nahrungsaufnahme durch rigide Gewichtskontrollen zu kompensieren. Ein Großteil der Betroffenen führt nach einem Essanfall regelmäßig absichtliches Erbrechen herbei. Bei manchen Patientinnen finden sich statt dessen oder zusätzlich zum selbstinduzierten Erbrechen Laxantien- oder Diuretikaabusus, längere Fastenperioden zwischen den Essanfällen oder sie treiben viel Sport. Viele Patientinnen leiden auch unter starken Stimmungsschwankungen.

Die Ess-Störung Binge eating disorder (BED) hat große Ähnlichkeit mit der Bulimia nervosa. Ihr Hauptmerkmal sind ebenfalls wiederkehrende Essanfälle, aber bei den betroffenen Patienten fehlt das für die Bulimia nervosa ebenfalls charakteristische Kompensationsverhalten. Aufgrund der hochkalorischen Nahrungsaufnahme während der Essanfälle steigt somit das Risiko, Übergewicht zu entwickeln. Die BED ist häufig mit weiteren psychischen Störungen wie Depressionen, Angstzuständen oder Persönlichkeitsstörungen verbunden. Zur Diagnosestellung einer Binge eating disorder können die in folgenden Kriterien herangezogen werden:

Diagnostische Kriterien für Binge eating disorder zzt. nach Diagnosevorschlag DSM-IV (American Psychiatric Association 1994) Regelmäßige Essanfälle. Ein Essanfall ist durch folgende 2 Merkmale gekennzeichnet:
In einem abgrenzbaren Zeitraum (z. B. innerhalb von 2 Stunden) wird eine Nahrungsmenge gegessen, die deutlich größer ist als die Menge, die die meisten anderen Leute im selben Zeitraum und unter den gleichen Umständen essen würden.
Während des Essanfalls wird der Verlust der Kontrolle über das Essen empfunden (z. B. das Gefühl, nicht mit Essen aufhören zu können oder nicht im Griff zu haben, wieviel gegessen wird).
Die Essanfälle sind mit 3 (oder mehr) der folgenden Merkmale verbunden:
Es wird wesentlich schneller gegessen als normal.
Es wird gegessen, bis man sich unangenehm voll fühlt.
Es werden große Mengen gegessen, obwohl man sich nicht körperlich hungrig fühlt.
Es wird allein gegessen, weil es peinlich ist, wie viel man isst.
Man fühlt sich von sich selbst angeekelt, depressiv oder sehr schuldig nach dem Überessen.
Es besteht hinsichtlich der Essanfälle merkliche Verzweiflung.
Die Essanfälle treten im Durchschnitt an mindestens 2 Tagen pro Woche über 6 Monate auf. (Anmerkung: Das Häufigkeitskriterium unterscheidet sich von Bulimia nervosa).
Die Essanfälle sind nicht mit der regelmäßigen Anwendung von unangemessenem Kompensationsverhalten (z. B. abführende Maßnahmen, Fasten oder exzessiver Sport) verbunden und treten nicht im Verlauf einer Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa auf.

Der 1. Schritt in der Behandlung von essgestörten Patientinnen besteht im Aufbau einer therapeutischen Beziehung und in einer Behandlungsmotivation. Eine ambulante Behandlung ist, wenn immer möglich, einer stationären vorzuziehen.

Therapieziele bei Ess-Störungen:

Das Erreichen und Stabilisieren eines normalen Körpergewichtes.
Das Erlernen eines normalen Essverhaltens. Hierzu gehört auch eine regelmäßige Nahrungszufuhr.
Die negative Einstellung bezüglich der eigenen Figur und des Körpergewichtes zu ändern.
Die Faktoren, welche an der Entstehung und Aufrechterhaltung der Ess-Störungen mit beteiligt sind, müssen behandelt werden (z. B. mangelndes Selbstwertgefühl, Problembewältigung).
Obwohl essgestörte Patienten/innen über ausgesprochen detailliertes Wissen hinsichtlich des kalorischen Gehaltes von Lebensmitteln verfügen, weisen sie sonst mangelhaftes Ernährungswissen auf. Aus diesem Grund hat die Vermittlung von Ernährungswissen einen festen Platz in der multimodalen Therapie von Ess-Störungen. Weiterhin sollten bei einer ausführlichen Ernährungsberatung folgende Themen angesprochen werden:
- Energieaufnahme und Energieverbrauch
- Regulation und individuelle Unterschiede des Körpergewichtes
- Soziokulturelle und geschlechtspezifische Normen im Hinblick auf Körpergewicht und Essverhalten.

Es empfiehlt sich die Erstellung einer Ernährungs- und Gewichtsanamnese, in der Gewichtsschwankungen, Methoden der Gewichtskontrolle, vermiedene Lebensmittel und die jeweiligen Gründe hierfür, das Vorkommen von Essattacken und Maßnahmen zur Gegenregulation erfragt werden. Auf diese Anamnese baut sich die ernährungsmedizinische Behandlung auf. Parallel dazu erfolgt die psychotherapeutische Behandlung, die verhaltenstherapeutisch, gesprächstherapeutisch und/oder tiefenpsychologisch ausgerichtet sein kann.

Fazit:
Da Ess-Störungen zur Gruppe der psychischen Krankheiten zählen, muss eine psychotherapeutische Betreuung im Vordergrund stehen.
Das vorrangigste Behandlungsziel aus ernährungsmedizinischer Sicht ist die Wiederherstellung eines normalen Essverhaltens.

Quellen:
Hebebrand J: Essstörungen. In: Schauder P, Ollenschläger G (Hrsg): Ernährungsmedizin. Urban & Fischer Verlag, München (1999) 345-354
Westenhöfer J, Matzen G: Eßanfälle und Binge Eating Disorder bei Teilnehmern von Gewichtsreduktionsprogrammen. Akt Ernähr-Med 23 (1998) 135-141 Westenhöfer J: Eßstörungen. Akt Ernähr-Med 21 (1996) 235-242
 

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