Märkische Allgemeine Zeitung (02.04.2004)
Das dicke Ende - US-Gesundheitsguru Robert Atkins
erlag angeblich seiner eigenen Fettdiät
Matthias B. Krause
New York - Eigentlich hätte es ein Steak geben müssen. Am besten mit Spiegelei und Schinken. Nur die Pommes hätten sie verweigern sollen. Nichts dergleichen stand auf dem Tisch, als sich vor einigen Tagen New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg und Veronica Atkinks zum Essen trafen. Denoch ging es für beide um die Wurst. Bloomberg wollte einen Weg finden, sich für seine Bemerkungen über Veronica Atkins verstorbenen Mann, den Diät-Guru Robert Atkins zu entschuldigen. Im Gegenzug winkte die Witwe mit einem Scheck in zweistelliger Millionenhöhe. Das Geld soll in ein Forschungsprojekt fließen, das Übergewicht bei Schulkindern untersucht. Bloomberg hatte sich vor ein par Feuerwehrleuten darüber lustig gemacht, dass Atkins "fett" gewesen sei. Außerdem halte er die Version, der 72 Jahre alte Arzt sei im April 2003 bei einem Unfall gestorben, für "absoluten Unsinn". Atkins Gegner hatten die Gerüchte nach kräften genährt, der Doktor sei übergewichtig einem Herzinfarkt erlegen, der perfekte Beweis für die Gefährlichkeit seiner Methode also. Ein ärztliches Bulletin, das dem "Wall Street Journal" zugespielt wurde, verzeichnete bei Atkins ein Gewicht von 116 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,82 Metern. Todesursache: Herzversagen. Alles Quatsch, wetterte seine Witwe. Ihr Mann sei auf einer eisigen Stelle auf dem Bürgersteig ausgerutscht und auf den Hinterkopf gefallen. Die Behandlung des Koma-Patienten habe dazu geführt, dass sein Körper mit Wasser aufgedunsen sei. Die Herzkrankheit habe einen Virus zum Auslöser gehabt. Die Wahrheit lässt sich nicht mehr feststellen, Veronica Atkins verweigerte die Autopsie ihres Manes. Zu Lebzeiten fand Atkins mit seinem Konzept, das Gewichtsverlust durch Verzicht auf Kohlenhydrate predigt, Millionen Anhänger, verkaufte über zehn Millionen Bücher und verdiente Hunderte Millionen Dollar. Und obwohl die Wirksamkeit seiner Rezepte bisher wissenschaftlich nicht einwandfrei bewiesen ist, entwickelte sich um die Atkins-Diät ein ganzer Industriezweig. Es begann alles mit einem Selbstversuch. Der Mediziner stellte fest, dass er schneller Gewicht verlor, wenn er auf Nudeln, Kartoffeln und Brot verzichtete, statt auf Steak, Speck oder Käse. Auf dieser Beobachtung und wissenschaftlichen Berichten, die nahe legen, dass der Körper zunächst Kohlehydrate und dann erst Fett verbrennt, begründete Atkins seine Theorie. Allerdings, so kritisierten die Kollegen, birgt das viele Fett erhebliche Risiken. Der Cholesterinspielgel kann auf ein übles Maß ansteigen, Arterien vestopfen. Alles Blödsinn, entgegnete Atkins und führte seine eigene Gesundheit als Beweis an. 2001 dann kippte der Diät-Doktor beim Frühstück um - Herzinfarkt. Eine Angestellte belebte ihn wieder, am nächsten Tage bestellt Atkins zum Frühstück im Krankenhaus sein Lieblingsgericht: Eier und Speck. Nachdem ihm in den 80er Jahren die Anti-Fett-Bewegung zu schaffen machte, erlebte Atkins 2002 einen neuen Frühling. Das "New York Times Magazine" erklärte die meisten anderen Diäten zu unwissenschaftlichem Humbug und kürte Atkins zumindest zum Puktsieger. Auf einmal war er salonfähig geworden. Sogar die Amerikanische Herz-Gesellschaft lud ihn ein, sein Wissen zu teilen. Es sollte sein letzter Sommer sein.