Ich hatte vor vielen Jahren nach einem schweren Autounfall eine lange dauernde Psychotherapie. Sitzung jeden Freitagabend zur besten Abendessenszeit von 19:00 - 19:45. Mir gegenüber lümmelte bequem in einem Sessel mein gottvoller, witziger, lockerer, allzeit sympathischer Therapeut (Klienten konnten sich ihre Sitzgelegenheiten nach Wunsch und Laune unter den vorhandenen aussuchen; es gab von jeder Art zwei Stück, und der Therapeut platzierte sich auf dem Gegenstück der vom Klienten gewählten Sitzgelegenheit).
Nachdem ich schon etliche Male dort war, knurrte und grummelte mir gegenüber laut und deutlich der Magen meines Therapeuten. Ich bemerkte es zwar, maß dem aber keine Bedeutung zu. Bei der nächsten Sitzung wiederholte sich das. Und danach wieder. Und wieder. Mittlerweile hörte ich es nicht nur, sondern begann, mich schlecht zu fühlen, weil der arme Mann, wie ich dachte, nun meinetwegen Hunger schieben musste, nur um mir zu helfen. Irgendwann fiel ihm auf, dass irgendetwas sich bei mir verändert hatte und ich von Beginn der Sitzung an sehr verspannt war (in der Therapie kommt man immer wieder an Punkte, die schwierig zu be- und verarbeiten sind, aber meine Anspannung war anders als bei diesen Gelegenheiten) und er fragte mich, was los sei.
Ich platzte heraus: 'Verdammt, Achim, wenn Du Hunger hast, dann iss doch einfach was während der Therapie. Das macht mir doch nicht das Geringste aus!'
Ihm fiel buchstäblich die Kinnlade runter bei meinen Worten und er fragte, wie um Himmels Willen ich denn darauf käme, dass er hungrig sei? 'Mensch, Achim, Dein Magen knurrt ständig so laut, das hört man ja fast noch auf dem Flur!!!'
Er grinste: 'Yvette, glaub mir eins: wir kennen uns schon so lange, und wenn ich wirklich hungrig wäre, hätte ich Dich gefragt, ob's für Dich ok wäre, wenn ich in ne Stulle beiße. Aber ich bin nicht hungrig. Ich bin entspannt. Völlig entspannt, und genau das sagt mir auch mein Magen laut und deutlich ...'
Also, Dori, entspann Dich, trink nen Schluck Wasser, vielleicht hört es dann bereits auf, zu grummeln.
Ach ja, kleine Anmerkung: Es ist in einer Psychotherapie absolut out, während der Sitzungen zu essen oder zu trinken. Ich hatte ein recht ungewöhnliches Arrangement: Ich wohnte ganz in der Nähe der Praxis und brachte ab und zu und auch nur nach Rücksprache eine Kanne frisch gebrühten Kaffee zur Sitzung mit - natürlich nicht nur für mich alleine. Das störte die Therapie - wie auch beteiligte Therapeuten erstaunt feststellten - nicht.
Diese Praxis war für mich mehr als nur eine psychotherapeutische Praxis, in die ich als Hilfesuchende kam, sondern sie war für mich auch Auftraggeber für diverse Arbeiten im Bereich Verlagswesen.