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Ich bin eben auf einen recht interessanten Artikel über die Historie der Sojabohne gestoßen.
(c) http://www.das-eule.de/html/eu_l_e_n-spiegel_ausgabe_4_2007.html[FONT=Arial,Helvetica,Geneva,Sans-serif,sans-serif]Die Sojastory[/FONT]
von Udo Pollmer
Ob in Kochbüchern, Fachzeitschriften oder im Internet – überall begegnet man der gleichen Story über die Sojabohne: In China schon seit Jahrtausenden kultiviert und sich über ganz Asien verbreitend, gilt sie dort als heilige Pflanze. Der Kaiser Shennong höchstpersönlich habe die Bohne im Jahre 2383 v.u.Z. geheiligt. Als ochsenköpfiger Gott des Windes stand ihm das auch zu. Seither nährt Soja den asiatischen Kontinent, schützt seine Bewohner vor Zivilisationskrankheiten und vertreibt böse Geister. Kurz und gut: Die Hülsenfrucht verleiht nicht nur Unsterblichkeit, sie verschafft unverzagten Essern auch das erhoffte Entree bei den Göttern. Was vernünftige Menschen nur „heiliger Strohsack!“ entfahren lässt, gilt in der Fachwelt als historische Tatsache.
Auf der Suche nach den „Wurzeln“ der Stories landet man schnell im Nichts. Die so genannten historischen Quellen beruhen meist auf fragwürdigen Interpretationen unleserlicher Ideogramme, deren Herkunft und Alter gleichermaßen spekulativ sind. Motto: „Ein paar Striche zeigen nach unten, das sind die Wurzeln“. Hinzu kommt, dass in diesem Land der vielen Sprachen und der zahllosen Leguminosen nicht einmal klar ist, ob es sich überhaupt um eine Bohne, Erbse oder Wickensorte handelt. Nichts anderes gilt für die Berichte europäischer Reisender. Sie verwendeten bis ins 20. Jahrhundert hinein eine Fülle lateinischer Namen für allerlei Körner, die in fast beliebiger Weise einer größeren Zahl von Leguminosen zugeordnet werden, bei denen aber die Sojabohne nie fehlen darf.
Brechmittel
Auch wenn sie in der Fachpresse fest etabliert sind, Äußerungen wie: Soja bzw. Sojadrinks stellten seit Urzeiten „die Milch Asiens“ dar, lassen auf Anhieb erkennen, dass ein Anschlag auf die Intelligenz geplant ist. Warum sollten Menschen, die Milch und Käse „zum Kotzen“ finden, hingebungsvoll mit aufwendiger Technik Brechmittel nachahmen? Selbst wenn Produkte existiert haben sollten, die heutigen Sojaerzeugnissen ähneln, spricht nichts für die Verwendung von Soja als Rohstoff. Nicht nur alle möglichen Hülsenfrüchte, selbst Fisch lässt sich in blassgelbe gummiartige Erzeugnisse ummodeln, die Besucher aus dem fernen Europa verleiten, dafür den Namen „Käse“ zu wählen.
Bei der Durchsicht der einschlägigen Literatur findet sich aber in einem Punkte Übereinstimmung: Die Sojasoße war als Würzmittel seit Jahrhunderten bekannt. So berichtet 1859 der niederländische Arzt Jacob Moleschott von der „Soja, eine braune, schmierige, süßlich-aromatisch schmeckende Flüssigkeit, die in China ... aus den Samen des Duidsu, Dolichos Soja, bereitet wird“. Doch über weitere Sojaprodukte in der menschlichen Ernährung schweigen sich die Chronisten beharrlich aus – auch der Ostasienforscher Bernhard Laufer, der sogar als Kronzeuge angeführt wird. In seiner Darstellung der chinesischen Landwirtschaft im Jahre 1914 erwähnt er die Pflanze nicht einmal.
Soja – Gülle für Japan
Dennoch erreicht uns Kunde von der Bohne: „Schon für das 18. Jahrhundert sind Sojabohnenexporte belegt; in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Sojabohne bereits das wichtigste Exportprodukt der Mandschurei“, schreibt der Historiker Jürgen Osterhammel. Allerdings handelte es sich um minimale Mengen. Das sollte sich um 1890 ändern. Der Sojaexport nach Japan blüht. Aber nicht, weil die Japaner daraus Tofu herstellen wollen, sondern „Dünger, Viehfutter und Seife“. Lediglich das Öl wurde manchmal abgepresst. Die Japaner benötigten Sojabohnen bzw. deren Pressrückstände als wichtigstes Düngemittel für ihr Grund- nahrungsmittel, den Reis(!). Niemand käme auf die Idee, ein hochge- schätztes Lebensmittel wie Gülle auf den Äckern zu verteilen. Die Sojabohne taugte wohl nicht mal für den Viehtrog – geschweige denn für die hungrige Bevölkerung.
Als die japanische Regierung beschloss, die besetzte Mandschurei zur Basis der Schwerindustrie auszubauen, sank die Bedeutung der Bohne wieder. Derweil hatte sich das Produktionszentrum in die USA verlagert. Die Bohne lieferte nicht nur Öl, sondern erwies sich auch als ideale Ergänzung zum Maisanbau, um via Knöllchenbakterien die Böden mit Stickstoff anzureichern. 1934 wurde in Chicago erstmals Sojabohnenöl mit Hexan extrahiert, was die Ausbeute beträchtlich steigerte. Doch auch in Amerika machte die Bohne nicht in der Küche Karriere, sondern in der chemischen Industrie. Henry Ford wollte seine Vehikel komplett aus Rohstoffen vom Acker bauen. Es gelang ihm, aus Soja Plastik zu produzieren, woraus Autokarosserien, Badewannen und Toiletten geformt wurden. Mit einem Vorschlaghammer bewaffnet demonstrierte er öffentlich die Unverwüstlichkeit seines Biokunststoffes. Während des 2. Weltkrieges erreichte der Einsatz von Sojaexpeller als Grundstoff der Chemieindustrie in den USA seinen Höhepunkt.
Kulturimperialismus
Als man Plastik billiger aus Erdöl herstellen konnte, war der Traum vom „Sojaauto“ geplatzt. Nun mussten neue Verwertungsmöglichkeiten für die Rückstande der wachsenden Ölproduktion her. Man lernte das Soja- eiweiß so zu erhitzen, dass es vom lieben Vieh vertragen wurde. Mittlerweile wandern etwa 95 Prozent der Produktion in die Futtertröge. Soja ist die Grundlage der Fleischerzeugung in den USA und Europa. Nach Schweinen, Puten und Rindviechern kommt heute auch der Mensch als potentieller Sojaschlucker hinzu. Um neue Verwendungs- zwecke und Vermarktungswege zu erschließen, investiert die Branche enorme Summen.
Bleibt die Frage: Wer hat den ganzen Unsinn in die Welt gesetzt? Wollten die Asiaten den westlichen Barbaren ihre Bohnen unterjubeln? Wohl kaum. Denn die Staaten Asiens sind keine Exporteure in größerem Stil. Japan muss sogar reichlich Soja importieren. Die meisten Menschen dort hat Soja nicht die Bohne interessiert. Erst die Amerikaner setzten die Story von der „heiligen Pflanze“ in die Welt. Einige dieser Märchen können sogar einzelnen Marketing-Firmen zugeordnet werden. Ihre Ideen tragen reiche Frucht: Inzwischen greifen auch Forscher in Asien dankbar die Stories der PR-Agenturen auf, um sie im Rahmen ethnozentrischer Publikationen phantasievoll zu unterfüttern. So wurde aus Asien die Wiege des Sojakultes. Und aus Europa ein wichtiger Absatzmarkt für Sojamilch.