Liebe Ine,
es scheint, dass da gerade etwas ganz großes bei dir geschieht. Dass es dich so aufwühlt und du dich auch so hingeben kannst, sind wirklich ganz tolle Nachrichten.
Du hast deine vermeintlich sichere Zone verlassen und wirst belohnt, das ist großartig. Eine tolle Erfahrung, die dir hoffentlich ganz viel Energie gibt, weiter zu gehen.
Ich lese die ganze Zeit schon mit und konnte gar nicht so richtig was dazu schreiben. Mich hat es sehr beschäftigt und ich mache mir so meine Gedanken.
Doch war es dieses Mal schwierig für mich, die Situation zu erfassen. Vieles wirkte konfus und wenig nachvollziehbar für mich.
Durch deine heutigen Schilderungen hat sich jedoch ein Bild bei mir geformt. Es muss nicht richtig sein, aber so habe ich deine Puzzlestücke für mich zusammengesetzt.
Vielleicht ist es für dich interessant zu wissen, was mir dabei durch den Kopf geht. Möglicherweise kannst du ja auch was damit anfangen:
Als du davon berichtet hast, dass du wieder nach Hause geschickt wurdest, hatte ich gleich gespürt, dass da gerade etwas sehr gravierendes geschieht.
Mein erster Gedanke war, dass es manchmal erforderlich ist, auf drastische Weise auf eine Problematik hingewiesen zu werden.
Selbst ist man häufig viel zu sehr im Thema und von dem gebrieft, wie man sich aufgestellt hat, dass sich einem manche Handlungsmöglichkeiten nicht erschließen oder einfach nur nicht ermöglichen.
Es ist ja nicht so, dass es an Tipps bezgl. möglicher Nahrungsaufnahme gemangelt hätte. Und dabei ging es auch in jede nur erdenkliche Richtung.
Doch gab' es bisher noch keine echte Notwendigkeit für dich, daran etwas zu verändern. Für dich lief es gut und ehrlich gesagt, habe ich mich auch gefragt, ob das Maß, welches angesetzt wird, zu bestimmen, wer zu dick oder zu dünn ist, tatsächlich eine begründete Daseinsberechtigung hat. Dir persönlich scheint dein Gewicht keine Schwierigkeiten bereitet zu haben, weder gesundheitlich noch mental. Also, "Wo liegt denn eigentlich das Problem?, dachte ich mir zunächst.
Beim Nachdenken darüber kamen mir unzählige Gedanken in den Sinn, die auch deine Wahrnehmung und Sinne möglicherweise trügen können. Und das, was von außen wahrgenommen wird, lässt sich auch nicht realistisch einschätzen.
Dieses Denken lässt sich ins Unermessliche führen und bringt also nicht wirklich was.
Da liegt aber auch mMn., nicht wirklich die Ursache begraben. Deshalb konnte ich das gleich wieder verwerfen. Doch, was am Montag geschah, das hat ganz heftig an dir gerüttelt.
Da gab' es plötzlich einen Zugang zu deinem Inneren. Denn die Vorstellung, die Kontrolle zu verlieren, hat dich ganz neu sensibilisiert. Die positive Kontrolle, die für alles Gute bisher stand und dir soviel Halt gegeben hat, geriet in Gefahr.
Auf einmal bestand die Möglichkeit, dass man dir jede Form der Kontrolle (Selbstbestimmung) zunächst entziehen könnte. Denn ein zwangweiser Aufenthalt in einer Klinik wäre der absolute GAU für dich, egal ob "nur" zum Zunehmen oder psychologisch begründet.
Ich denke, dieses Bewusstsein hat den Schalter bei dir umlegen können. Denn du kanst auch darüber die Kontrolle behalten und bist nicht machtlos ausgeliefert.
Dazu war es nur erforderlich, andere Wege einzuschlagen, nicht nur von den bewährten Erfahrungen zu schöpfen, sondern wieder etwas zu wagen.
Dass dich dieses Wagnis dann so derart belohnt, ist ein riesiges Geschenk und ich wünsche dir von Herzen, dass es dir beständig erhalten bleibt und du mit dieser Energie, ein noch glücklicheres Leben führen wirst!
Wir Alle kontrollieren vermutlich, jederzeit und immer, ob aus Gewohnheit oder Disziplin. Nur der Rahmen, in dem die Kontrolle gechieht, ist bei jedem ganz individuell und deiner war sehr beengt.
Viele hier können das Ausmaß an Emotionen und eingeschränkten Verhaltensweisen bestimmt gut nachvollziehen.
Manch einer, sitzt mehr oder weniger in einem ähnlichen Käfig, wie du ihn beschrieben hast und kann möglicherweise aus deinen Erfahrungen auch etwas für sich ziehen.
Daher finde ich es ganz toll, dass wir uns hier so offen austauchen.