Kai, Du hast mein vollstes Verständnis.
Meine Mutter ist 88, geistig meistens ziemlich gut drauf, hatte in Frankfurt/M. vor knapp 2 Jahren eine Begegnung der dritten Art mit einem jungen Mann: sie schaute auf den Boden beim Laufen, er sonstwohin, Ergebnis: Oberschenkelhalsbruch.
Sie war immer ungeheuer selbständig, verkaufte auch mit 86 noch jeden Samstag auf dem Flohmarkt Schmuck und kleine Antiquitäten. Wohnung: 4. Stock ohne Aufzug - 68 Stufen. Nach dem Unfall nicht mehr zu bewältigen. Das Krankenhaus hat dann einen Rehaplatz in Berlin festgemacht, mein Sohn (wohnt und studiert hier) und ich haben sie in seinem Auto als 'Liegendtransport' nach Berlin gefahren (Krankenkasse zahlt solche Entfernungen nicht), und er hat sich um sie gekümmert, während ich 3 Wochen lang praktisch Tag und Nacht ihre völlig zugemüllte Wohnung gepackt und teilentsorgt habe (sie sammelt u. a. seit mindestens 40 Jahren Zeitungsausschnitte, die ich gefälligst zu lesen habe, um endlich ein bisschen gebildeter zu werden :lol: . Außerdem gab es Motten ohne Ende und dementsprechend viel löchrige Kleidung. Mir hat so gegraust, aber ich musste notgedrungen in der Wohnung 'leben'.). In Frankfurt zu bleiben, hätte für sie Pflegeheim bedeutet und das Ende.
Nach der Reha zwei entsetzliche Monate bei mir (entsetzlich für mich), seit Mitte Januar 08 wieder eigene Wohnung
. Rollator und mittlerweile Pflegestufe 1.
Irgendwann vor ein paar Monaten: Sie sitzt am Küchentisch, will wissen, was in den vielen nichtausgepackten Kartons an einer Küchenwand ist (ich darf nichts in den Keller stellen, es könnte gestohlen werden oder der Keller wird bei Regen überflutet :shock: ), ich öffne für sie Karton für Karton, zerre Stück für Stück raus -
VIER Stunden lang. Da sagt sie plötzlich ganz laut: "möcht nur wissen, was das Aas hier sucht - was sucht dieses Aas hier in meinen Kisten?" Solche Stories kann ich im Dutzend erzählen.
Ich bedauere es manchmal wirklich, sie nach Berlin geholt zu haben - es versteht sowieso niemand (bin als Kind vom Jugendamt wegen Kindesmisshandlung der 'häuslichen Umgebung' innerhalb von Stunden entzogen worden und war im Internat); hatte die ganzen Jahre auch in Frankfurt relativ wenig Kontakt, weil die Frau mir mit Sicherheit nicht gut tut. Dass sie alt wurde, hab ich vor etwa 10 Jahren gemerkt. Sie hat aufgehört, mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu sagen, wie sehr sie es bedauere, mich nicht direkt nach der Geburt in der Donau ersäuft zu haben (bin in Wien geboren); mit ihren Kindbettdepressionen wäre sie nie verurteilt worden ....
Aber, wie sagte schon Mariama: wer weiß, wie wir werden, wenn wir mal alt sind ...:twisted: .
Gut's Nächtle von Ost nach West
Yvette