AW: Lolli knabbert sich durch
Guten Morgen meine Lieben und vielen Dank euch allen
!
Ich würde sehr gerne meine Freude mit euch teilen, heute haben wir bezüglich der neuen Wohnung unseren Beurkundungstermin!
Und stellt euch vor, wir haben es sogar geschafft, unsere Wohnung nach zwei einhalb Wochen zu verkaufen!!! Und das Beste, mit den neuen Eigentümern, ein sehr, sehr nettes Pärchen, haben wir uns auf Anhieb so gut verstanden, dass sich eine richtige Freundschaft daraus entwickelt.
Aber ich möchte euch von einer ganz anderen Sache berichten, die meine Freude ganz enorm trübt, mir Angst macht und an den Rand der Verzweiflung bringt. Das wird also kein typischer Lolli-Beitrag hier, aber ich denke, von der Thematik passt es sehr gut in dieses Forum und mir hilft es, wenn ich darüber schreibe. Vorsicht, das wird lang!
Ich habe eine Cousine, 30 Jahre alt, die seit 10 Jahren in Amerika lebt.
Wir sind in den ersten Jahren zusammen aufgewachsen, haben ein sehr, sehr enges Verhältnis. Auch nachdem sie mit ihren Eltern ausgewandert ist, gab es keine Woche, in der wir nicht telefoniert hätten. In den letzten Monaten sogar fast täglich (den Billig-Vorwahlen sei Dank!).
Ich habe sie im Herbst letzten Jahres zum letzten Mal gesehen, da hatte sie, bei einer Grösse von 165 cm ein Gewicht von 85 kg. Ein bischen viel, aber nicht besorgniseregend.
Letztes Jahr hat sie geheiratet und im März hat sie ihren Mann verlassen, weil er sie mit Hinz und Kunz betrogen hat, woran sie "ja selbst schuld sei, wenn man so dick ist, dass sich der Ehemann ekelt".:twisted:
Am Dienstag letzte Woche habe ich zum letzten Mal mit ihr telefoniert, sie schien mir wieder ok zu sein, erzählte mir glücklich, dass sie ein neues Auto kaufen wolle, einen neuen Job hätte und sogar einen neuen Mann kennengelernt hat. Ich habe mich wahnsinnig für sie gefreut, dass ihr Leben offenbar wieder im Lot ist. Weit gefehlt!
Gestern rief mich meine Tante an und erzählte mir, dass meine Cousine im Koma liegt und laut Ärzte, sterben wird. Ich dachte sofort an einen Unfall oder sonst was.
War es aber nicht.
Nachdem sie ihren Mann verlassen hatte, der es offensichtlich geschafft hat, ihre Selbstachtung zu zerstören, hat sie das Essen fast komplett eingestellt, weil sie ja "ekelhaft dick" war. Sie hat über den Tag verteilt, einen Apfel gegessen und ein Glas Wasser (!!!!!) getrunken. Und das in einem Land mit tropischen Temperaturen.
Am Mittwoch Abend wollte sie ins Bett gehen und erlitt plötzlich einen epileptischen Anfall und fiel ins Koma. Sie atmet nicht mehr selbständig, zeigt keinerlei Reaktionen mehr, ist völlig dehydriert (ihr Urin ist braun) und ihre Organe scheinen ihre Funktion eingestellt zu haben.
Sie wiegt 36 kg!
Die Ärzte sagen, dass es keinerlei Hoffnung für sie gibt. Selbst wenn sie aus dem Koma erwachen sollte (was schon einem Wunder gleichkäme), wäre ihr Gehirn so stark geschädigt, dass sie ein Pflegefall bliebe.
Und sie hat mir nicht ein einziges Wort gesagt! Nicht sie und auch nicht meine Tante, die fast täglich mit meiner Mutter telefoniert!
Nicht ein einziges Wort darüber, was sich auf der anderen Seite des Erdballs abgespielt hat. Sie hat sich über die Situation geschämt (wie bitte????Hallo????). Dass sie es nicht geschafft hat, ihre Tochter zum Essen zu bewegen, obwohl sie sie täglich angefleht hat, dass sie es nicht geschafft hat, ihr ein Glas Wasser einzuflössen...geschämt!
Ich bin fassungslos, völlig erschüttert und ungläubig. Wenn sie gesagt hätte, dass ein UFO in ihrem Garten gelandet wäre, hätte ich das leichter glauben können.
Und ich hirnloser Volltrottel habe meiner Cousine noch so stolz davon berichtet, dass ich so gut abgenommen habe, wie toll diese Ernährung doch ist und blablabla. Und sie hat mir zugehört und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
Wisst ihr, wir reden hier viel über das Abnehmen, Ernährung, auch Eßstörungen, aber ich habe gemerkt, dass mein Wissen über Eßstörungen noch nicht einmal theoretischer Natur ist.
Wo hört ein "normaler" Gewichtsverlust, im Rahmen einer Diät auf und wo fängt es an, lebensbedrohlich zu werden?
Sind wir hier alle davor gefeit, in so eine Störung "hineinzurutschen"?
Wir alle, die wir schon enorm abgenommen haben, aber trotzdem bereit sind "noch zwei drei Kilos weichen zu lassen" (meine eigenen Worte!), um einen "Puffer" zu haben, finden wir zur rechten Zeit die Notbremse?
Haben wir -neben dem Wunsch nach schlanken Körpern- auch immer entsprechend im Blick, welch kostbares und wichtiges Instrument unser Körper ist, dessen Gesundheit und Funktionsfähigkeit wir erhalten müssen, weil wir eben nur diesen einen Körper haben?
Gehen wir immer so respektvoll und pfleglich mit ihm um, wie er es verdient?
Oder ist er nur, neben dem Thema Gewicht, zweitrangig?
Ich frage mich die ganze Zeit, ob es da nicht eine Andeutung gab, ein Wort vielleicht nur, dass ich überhört oder falsch gedeutet habe. Ob es wohl etwas gegeben hätte, das ich hätte sagen können, um das Schicksal aufzuhalten.
Und wenn wir so einer Situation gegenüberstehen, was sollen wir dann tun? Was sollen wir sagen? Können wir überhaupt etwas tun, oder können wir nur zusehen und hoffen, dass der andere irgendwann von alleine zur Vernunft kommt?
Ich wünsche uns allen, jedem Einzelnen von uns, dass wir -trotz aller Freude über unsere Abnahme- niemals die Gefahren aus dem Blick verlieren. Dass jeder Einzelne von uns, seinen Körper immer so behandeln wird, wie er es verdient, dass wir alle immer die richtige Notbremse ziehen können.
Wir haben nur diesen einen Körper und dieses eine Leben.
Ich danke euch allen, dass ich mich ausheulen durfte und wünsche euch einen wundervollen Tag!