Irgendwie geht mir das nach, dass ich mich nicht an einen normalen, entspannten Umgang mit Nahrung erinnern kann.
Als Kind war ich durch das Asthma eingeschränkt und das Cortison, hochdosiert, machte mich schwer. Das führt dazu, dass ich als Kind schon auf Kraftpaket umgeschult hab, da Leichtathletik nicht ging - oder krasse Folgen hatte. Also hab ich mir die Sachen rausgesucht, die Kraft brauchten und Technik: Kugelstoßen, Gewichtheben, Speerwurf, Geräteturnen, Gymnastik, Volleyball (Schulmannschaft), Schwimmen + Turmspringen, später Kampfsport. Mit 12, also Anfang der 70er, entschied ich mich für meine erste EW-Diät, irgendso ein Granulat, was man in Joghurt rührte, grauslich. Es machte satt und half.
Mit 15 kam die nächste Kortisonkur, das brachte pro Monat 25kg aufwärts. Und keine Chance für runterzukommen.
Mit 17 stieg ich in Atkins ein, ich hatte das Buch in der Bibliothek gefunden und fand es schlüssig. Aber es ging nicht. Bei meinem Vater schon... Ich war sogar im KH für Nulldiät, mit schlimmen Folgen fürs Herz und weiterer Gewichtszunahme durch Wasserödeme danke Proteinmangel. Wusste man damals aber nicht. Dann sagte mein Hausarzt, ich solle nicht verzweifeln, das läge an den Kortisondepots im Körper. Ich solle einfach mal normal mit wenig KH weitermachen. Und am ersten Tag, an dem ich feststelle, dass die Hose lockerer sitzt, soll ich auf die Waage, nicht vorher. Und dann soll ich mit Fettfasten einsteigen und mit dem Atkins-Konzept weiter. Und genauso habe ich das gemacht. Dieser Arzt hat mir auch meine Knie gerettet, mit Spritzen statt OP. Ich konnte keine 50 Meter mehr laufen, kein Knorpel mehr vorhanden, Knochen-auf-Knochen mit irren Schmerzen.
Als ich dann irgendwann dünn war, hing alles. Katastrophe. Und meine Psyche war völlig daneben. Ich begab mich also in Anfang der 80er in Therapie mit TA-Ausbildung, da ich meinen Nachwuchs mit Vernunft begegnen und erziehen wollte. Dort war der Leiter gerade aus US zurück, hatte dort als Kliniker eine orthomolekulare Ausbildung und machte mit mir einen Glukose-Langzeit-Test, der ergab, dass ich Insulinüberschuss und NM-Allergien habe. Das war aber in D noch HokusPokus, ist es in Teilen ja heute noch. Den Begriff Insulinresistenz und Prädiabetes gab es noch lange Zeit nicht. Ich durfte also keinen Zucker und keine Stärke also im Prinzip weiter mit Atkins. Aber ich durfte in keinem Fall weiter abnehmen. Also wieder alles kontrollieren, alles nicht normal wie andere. Ein Kaffeestückchen brachte mich in kurzer Zeit ins KH-Koma, ich schlief dann mitten im Satz ein. Niemand wusste was zu tun ist. Blutdruck viel zu niedrig, Kreislauf instabil. Erste Ops, heute würde man das PCOS nennen, damals hieß es nur: Muss raus, sie haben ja Nachwuchs.
Zehn Jahre später, nachdem ich längst Selbstversorgerin mit Rotationsdiät war und neben meinem Beruf alles selbst produzierte, ging ich in eine Allergieklinik Anfang der 90er. Dort zeigte sich anhand der Bluttests, dass ich auf fast alles reagierte, vor allem aber psychogen auf Kartoffeln, Kasein und Eier. Die ersten Wochen ging nur Reis und Butter. Und dann kam es also wieder zur Rotationsdiät, aber diesmal mit noch längeren Intervallen, nicht 4 sondern 7 Tage bis zu 3 Monaten. Das war wirklich anstrengend. Es half, hat aber mein Verhältnis zu Nahrungsmitteln sehr kritisch werden lassen, wie zu Lebensgefahr - total angespannt.
Und obwohl ich mich in all den Jahrzehnten seither dran gewöhnt habe, so zu leben, ist die Anspannung aber immer da. Keine Leichtigkeit, nichts mal eben einfach so. Immer alles unter Kontrolle oder der unkontrollierte Ausraster. Das macht mich wirklich völlig unentspannt, ständig im Aufpassmodus, fast wie im Krieg. Für meine wohlmeinende Umgebung ist das auch unverständlich, obwohl das in den letzten 10 Jahren besser wurde, da immer mehr Menschen ähnliche Probleme haben. Aber soll mich das beruhigen? Wohl eher nicht.
Naja, wenn ich mir das so anschaue, ist es kein Wunder, dass es ist wie es ist. Und ich für viele einfach anstrengend und merkwürdig bin. Versteh ich zwar, nützt mir aber nix.
Aber mir wird dabei auch klar, warum ich oft mit Leuten ungeduldig bin, zB wenn sie nicht kapieren wollen, dass manche ihrer Problemchen einfach altersbedingt sind - da ist allein die Tatsache, dass man nun auch alt wird schon das Problem. Da bin ich dann genervt - und reagiere leider auch so. Das passiert mir leider auch hier im Forum und ist einfach nicht angebracht.
Deshalb bitte, wenn ich mich manchmal vergallopiere im Ton, weist mich drauf hin, dass mehr Geduld immer hilft! Auch ich mit mir.
Jedenfalls ist mir gerade klar, warum ich keine Vorstellung davon habe, was es bedeutet, gesund zu sein. Keine Ahnung, wie sich das anfühlen könnte, schmerzfrei zu sein oder ohne Einschränkung und Selbsteinschränkung zu leben, das war ja immer mit Lebensgefahr verbunden. Ich sehe, in diesem Bereich habe ich noch ordentlich Wachstumspotential. Noch ist es nicht vorbei, noch ist alles möglich.