Der Gehalt an Kochsalz, Fett, Cholesterin und Eiweiß ist in der Reisdiät weit geringer als in jeder anderen Diät zur Behandlung der Hypertonie, Arteriosklerose, Herz-, Nieren- und vasculären Netzhautkrankheiten. Sie besteht ausschließlich aus Reis, Zucker, Früchten und Fruchtsäften und enthält in 2400 Calorien 25 g Eiweiß, weniger als 5 g Fett,kein Cholesterin, 70—120 mg Natrium und 140—240 mg Chlorid (Abb. 1).
Die Calorienmenge, die ein Patient jeweils erhält, richtet sich danach, ob Gewichtszunahme oder -abnähme erwünscht ist. Natrium-, Chloridund Fettzufuhr kann noch verringert werden, wenn Früchte und Fruchtsäfte fortgelassen und nur weißer Reis, Tee und Zucker gegeben werden.In 2400 Calorien einer solchen „Minimal"-Diät sind nur noch 20 mg Natrium, 70 mg Chlorid und 0,9 g Fett. In einer Anzahl von Fällen habenwir zusätzlich Kationenaustauschpräparate angewandt, um das Natriumaus dem Magendarmkanal zu entfernen. Jedoch enthält diese Arbeitweder die Resultate der „Minimal"-Diät, noch die der Kombination mitKationenaustauschharz. Wir beschreiben hier lediglich die Wirkung dergewöhnlichen Reisdiät — ohne alle Medikamente außer den Vitaminen A,B, C, D.Die Reisdiät ist eintönig, aber sie hat den praktischen Vorteil derEinfachheit. Keine umständlichen Anweisungen sind notwendig und sieist leicht zuzubereiten. Die Chloridausscheidung im Urin beträgt nach 1—2 Monaten Diät 20—100 mg, die Natriumausscheidung 3—20 mg in1000 cm3 Urin. Zahlen, die höher sind, ausgenommen bei Patienten, dieÖdeme verlieren oder die chronische oder akute „SalzVerlierer" sind,zeigen, daß — wissentlich oder unwissentlich — Fehler in der Diät begangen worden sind.
Abb. 1. Zusammensetzung der Reisdiät, verglichen mit normaler Diät.
2400 Col. 2400 Col.100gFett 100gEiweiss 300 gKohlehydrate 6gCI0 2 g CI0.15g No
Kochsalzeinschränkung.
Die Hauptgefahr einer so radikalen Kochsalzeinschränkung ist dieMöglichkeit einer Hypochlorämie oder Hyponaträmie (möglicherweisemit Erhöhung des Reststickstoffs), häufig kombiniert mit Hyperkaliämie und Alkalose.
95 % unserer Patienten, die keine Zeichen einer vorgeschrittenen Nierenschädigungzeigten, konnten dieextreme Kochsalzeinschränkung gut vertragen. Die normale,ungestörte Regulationsfunktion der Niere bewirkt eine maximaleEinsparung der Elektrolyte; das Serumchloridsinkt etwas ab, das Bicarbonat steigt entsprechend an, Natrium, Kaliumund Gesamtionen bleiben praktisch unverändert. Jedoch bei 5% derPatienten kam es zu Störungen der Elektrolytkonzentrationen, obgleicheine ernstere Nierenschädigung nicht nachweisbar war (PESCHEL 1952).Bei Patienten mit schlechter Nierenfunktion erhöhte sich dieser Prozentsatz auf 55% (PESCHEL 1953). In jedem Falle ist deshalb die ständigeklinische und chemische Kontrolle bei der Reisdiät unerläßlich. Tabelle 1zeigt, wie weit die Höhe des Reststickstoffs und das Ergebnis der Nierenfunktionsprüfungen eine Voraussage zulassen, ob der Patient die Reisdiät in ihrer strikten Form ohne Na- oder Cl-Zusätze vertragen kann.Cholesterin- und Fetteinschränkung.Die Erzeugung von Arteriosklerose durch Cholesterinfütterung beiKaninchen ist seit den Versuchen von ANITSCHKOW bekannt. Die Bedeutung der Cholesterinämie beim Menschen in Fällen von Arteriosklerose, Coronarinsuffizienz, Diabetes und exsudativer Netzhauterkrankungist auch bekannt. Wir haben bei 70% unserer Patienten mit Hochdruckkrankheit eine Hypercholesterinämie gefunden.
Cholesterin- und Fetteinschränkung.
Die Erzeugung von Arteriosklerose durch Cholesterinfütterung beiKaninchen ist seit den Versuchen von ANITSCHKOW bekannt. Die Bedeutung der Cholesterinämie beim Menschen in Fällen von Arteriosklerose, Coronarinsuffizienz, Diabetes und exsudativer Netzhauterkrankungist auch bekannt. Wir haben bei 70% unserer Patienten mit Hochdruckkrankheit eine Hypercholesterinämie gefunden.
Es ist vielfach behauptet worden, Cholesterineinschränkung in derDiät habe keinen Einfluß auf eine bestehende Hypercholesterinämie.Diese Behauptung ist so wahr wie diejenige, daß Salzeinschränkungkeinen Einfluß auf die Hypertonie habe. Die Cholesterin- und Fetteinschränkung, genau so wie die Salzeinschränkung, muß allerdings radikal sein, d. h. sie muß, wie in der Reisdiät, praktisch einem völligen Entzug gleichkommen, um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen. Von800 Patienten mit Hypercholesterinämie, die wir mit der Reisdiät behandelt haben, ist der Cholesteringehalt im Serum bei 93% niedrigergeworden (Tabelle 2). Diese Tatsache ist bedeutsam, gleichgültig welcheMechanismen als Ursache dafür anzusehen sind. Neben der Cholesterin -und Fettarmut der Diät mögen, worauf H. RÜSTOW hingewiesen hat,der Reichtum an Vitamin C und die Salzarmut, durch Beeinflussung derNebennieren, eine Rolle spielen.
Die Reisdiät bewirkt sowohl eine Abnahme des freien Cholesterinsals der Cholesterinester im Serum. Das Verhältnis von Lipoidphosphor im Serum zum Cholesterin ändert sich zugunsten des Lipoidphosphors.
Eiweißeinschränkung.
Die Rolle des Eiweißes in der Entstehung und Beeinflussung der verschiedenen Gefäßerkrankungen soll nicht in dieser Arbeit erörtert werden. Als vor 10 Jahren die Erfahrungen an den ersten 150 ReisdiätPatienten veröffentlicht wurden, war es die allgemeine Ansicht, daß diediätetische Behandlung von Hypertonie und Arteriosklerose wertlos sei :die Einschränkung von Salz, Fett, Cholesterin und Eiweiß erschien unangebracht. In bezug auf Salz, Fett und Cholesterin hat sich dieserStandpunkt geändert; die Wichtigkeit dieser Diätfaktoren ist jetzt allgemein bekannt. Über die Rolle des Eiweißes besteht noch keine Übereinstimmung.
Welchen Wert auch immer die Eiweißeinschränkung haben mag : vonallen Diäten zur Behandlung der Hypertonie und Arteriosklerose, derKrankheiten des Herzmuskels, der Niere und der Netzhaut hat die Reisdiät den geringsten Gehalt an Eiweiß, in 2400 Calorien etwa 25 g.
Auch heute begegnet man noch der Ansicht, ein Minimum von 50 gEiweiß pro Tag sei notwendig zur Verhütung eines Eiweißdefizits mit folgender Anämie, Hypoproteinämie und Ödemen. Diese Ansicht beruhtdarauf, daß bei völligem Hungern die Gesamtstickstoffausscheidung inStuhl und Urin etwa 8 g täglich beträgt ; um diesen Verlust zu ersetzen,müsse man dem Körper die entsprechende Menge Eiweiß wieder zuführen :8 × 6,25 — 50 g, das sog. Erhaltungseiweiß. Wenn jedoch bei völligemFehlen von Eiweiß in der Nahrung genügend große Mengen vonKohlenhydraten vorhanden sind, um den Calorienbedarf zu decken, sosinkt die Gesamtstickst off ausscheidung von 8 g auf weniger als 4 g.Diese eiweißsparende Wirkung der Kohlenhydrate ist ein wichtigerFaktor in der Reisdiät.
Bei einer Eiweißzufuhr von 125 g beträgt die tägliche Stickstoff -ausscheidung in Stuhl und Urin 20g,im Hungerzustand 8 g, nach durchschnittlich 88 Tagen Reisdiät etwa 4 g (PESCHEL 1950). Die Patienten aufder Reisdiät befinden sich also im Stickstoffgleichgewicht mit einer täglichen Eiweißzufuhr von 4×6,2 5 = 25g. Es entwickelt sich keine Anämie, sondern gewöhnlich wird ein geringer Anstieg des Hämoglobinsgefunden ; der Eiweißgehalt im Serum bleibt der gleiche oder steigt ebenfalls an, und es bilden sich nicht nur keine Ödeme, sondern, falls sie vorhanden sind, werden sie ausgeschwemmt. Wo daher eine Herabsetzungdes Stickstoff-Stoffwechsels wünschenswert erscheint, wie invielenFällenvon akuter und chronischer Nephritis und Nephrosklerose, sollte derjenigen Diät der Vorzug gegeben werden, bei welcher der Gesamtstickstoff umsatz am geringsten ist. Aus den oben angeführten Zahlen ist ersichtlich, daß der völlige Nahrungsentzug (von VOLHARD als Therapieder akuten Glomerulonephritis empfohlen) mit einer Stickstoff ausscheidung von 8 g täglich zwar der gewöhnlichen Kost mit einer Stickstoffausscheidung von 20 g vorzuziehen ist ; aber die Reisdiät mit einer Stickstoffausscheidung von nur 4 g pro Tag ist wirksamer als Hungern und hataußerdem den Vorteil, daß sie über Monate und Jahre gegeben werdenkann (Tabelle 3).
Tabelle 4 zeigt den Einfluß der Reisdiät auf den Reststickstoff undHarnstoff im Blut von 950 nichturämischen Patienten mit Hochdruckkrankheit. Bei gewöhnlicher Kost ist der Reststickstoff im Blut durchschnittlich 17%, der Harnstoff 62% höher als bei der Reisdiät.
Selbst bei Patienten mit gesunden Nieren und normalem Blutharnstoff und Reststickstoff ist es ratsam die Eiweißzufuhr zu verringern, wenn das Salz in der Diät maximal eingeschränkt wird, da ein Absinkenvon Natrium- oder Chlorionen im Serum (wie man von starken Schweiß -ausbrüchen, Diarrhöen oder der AüDisoNschen Krankheitweiß) häufig eine Azotämiezur Folge hat.
Niemand zweifelt daran,daß bei fortgeschrittenerNiereninsuffizienz und Urämiedie Eiweißzufuhr auf ein Minimum zu beschränken ist. Jedoch wird dies meist solangeverschoben, bis die Funktionsprüfungen ein weitgehendesVersagen der Niere anzeigenund der Reststickstoff auf über 100 mg gestiegen ist. Mir scheint eszweckmäßiger, bei progressiven Erkrankungen wie chronischer Nephritisoder vasculärer Schrumpfniere, mit allen verfügbaren therapeutischenMaßnahmen an dem Tage zu beginnen, an dem die Diagnose gestelltist und nicht damit auf die Alarmsignale des endgültigen Nierenzusammenbruchs zu warten.
Indikationen.
Die Reisdiät ist indiziert bei akuter und chronischer Nephritis. DieHäufigkeit der Spontanheilungen bei akuter Glomerulonephritis machtdie statistische Auswertung jeder Behandlungsmethode schwierig. Beider chronischen Nephritis hingegen ist die erfolgreiche Wirkung der Reisdiät leicht nachweisbar: Senkung des Blutdrucks, Besserung des Harnbefundes, Verschwinden von Herzvergrößerung, EKG-Veränderungen,Netzhautblutungen, Exsudaten und Stauungspapille (Abb. 2, 3, 4, 5).
Die Reisdiät ist indiziert bei Kreislaufdekompensation, gleichgültigob die Herzinsuffizienz durch Klappenfehler oder durch Arteriosklerose,Hochdruckkrankheit, Nierenerkrankungen, Gelenkrheumatismus, Lupuserythematodes hervorgerufen ist. Abb. 8, 9 zeigt das Verschwindender Herzvergrößerung bei einem Patienten mit Aorteninsuffizienz und-stenose.Patienten mit Angina pectoris mit oder ohne Myokardinfarkt solltenmit der Reisdiät behandelt werden. Hier fällt der Therapie eine doppelte Aufgabe zu : einerseits den Vorgängen entgegenzuwirken, welche zu einerVerringerung der Coronardurchblutung führen (vgl. den Abschnitt überCholesterin), andrerseits den Energiebedarf des Herzmuskels soweit wiemöglich herabzusetzen.
Die Reisdiät ist indiziert bei Diabetes mellitus mit Nieren- oder Gefäßkomplikationen. Bei den ersten Fällen (die wir wegen schwerer Augenhintergrundsveränderungen behandelten) hatten wir einen Anstieg desBlutzuckers erwartet und rechneten damit, die Insulinmengen erhöhenzu müssen. Doch zeigte sich, daß die Reisdiät von Diabetikern nicht nurgut vertragen wird, sondern daß sogar häufig der Blutzucker sinkt undgeringere Insulinmengen benötigt werden.
Wir haben 48 Diabetiker durchschnittlich 14 Monate mit der Reisdiätbehandelt. Bei 17 Patienten änderte sich der Blutzucker um mehr als30 mg; bei 3 nahm er zu, bei 14 ab. Bei 19 von den 48 Patienten mußte die InsuHnmenge verändert werden: 4 brauchten mehr, 15 wenigerInsulin.
Die Reisdiät ist indiziert bei Arteriosklerose und bei Hochdruckkrankheit. Eine große Anzahl von Patienten mit „benignem" Hochdruck — mit und ohne kritische Komplikationen — konnte durch dieDiät entschieden gebessert werden (Abb. 10, 11, 12, 13). Das gleiche giltfür Patienten mit ,,malignem"Hochdruck mit schweren Schädigungen desHerzens, der Nieren und des Augenhintergrundes. (Abb. 14,15,16,17,18).
In einer Gruppe von 860 Patienten, die 90 Tage oder länger (durchschnittlich 146 Tage) auf der Reisdiät waren, kam es bei 709 Patienten (82,4%) zu einem wesentlichen Absinken des Blutdrucks: von durchschnittlich 195/114 mm Hg auf durchschnittlich 145/91. Bei 291 Patienten (33,8%) sank der Blutdruck zur Norm: von 180/106auf 127/81(Durchschnitte). Je länger die Patienten die Reisdiät befolgten, destohöher war der Prozentsatz an positiven Resultaten.
In einer Gruppe von 420 Hochdruckkranken liegen Vergleichselektrokardiogramme nach mindestens einem Monat Behandlungsdauer vor.Bei 120 dieser Patienten war bei Beginn der Reisdiät die TrZacke negativ(ohne Digitalis oder Anzeichen von Infarkt). Sie blieb negativ bei 68(nach einer Behandlungsdauer von durchschnittlich 7 Monaten) ; bei 52wurde sie positiv (nach durchschnittlich 10 Monaten). Bei keinem der300 Patienten dieser Gruppe, deren T^-Zacke bei Beginn der Behandlungpositiv gewesen war, wurde sie (im Laufe von durchschnittlich 11 Monaten Reisdiät) negativ.
In einer Gruppe von 500 Patienten mit Hochdruckkrankheit, diemindestens 1 Monat, durchschnittlich 5 Monate, auf der Reisdiät waren,kam es bei 20 Patienten (4 % ) zu einer Vergrößerung des Herzens miteiner Zunahme des Querdurchmessers von 2 %. Bei 480 Patienten (96 % )wurde das Herz kleiner ; die durchschnittliche Abnahme des Querdurchmessers betrug 11,8% (6%bei218, 14% bei207, 25% bei 55 Patienten).
Von 388 unserer Patienten mit vorgeschrittener vasculärer Netzhauterkrankung (Stauungspapille, Blutungen, Exsudaten, oft in Kombination)liegen Augenhintergrundsphotographien bei Beginn und nach mindestenseinem Monat Reisdiät vor. 44 dieser Patienten hatten chronische Nephritis, 344 Hochdruckkrankheit. 125 wiesen Stauungspapille auf. Bei 4zeigte sich keine Änderung; bei 2verschwand die Stauungspapille teilweise, bei 119 vollständig. 296 der 388Patienten hatten Augenhintergrundsblutungen. Bei 7 nahmen die Blutungen zu;bei 12 zeigte sichkeine Veränderung ; bei 46 verschwanden die Blutungen teilweise, bei 231vollständig. 328 hatten Exsudate. Diese nahmen bei 5Patienten zu;bei 18 zeigte sich keine Veränderung; bei 79 verschwanden die Exsudateteilweise, bei 226 vollständig.