Meine liebe Jum,
es ist für mich kaum zu ertragen, zu lesen wie schlecht es dir geht und wie schrecklich deine Familienverhältnisse sind. Ich habe Mitgefühl für dich, wenn ich die Situation auch nicht aus eigener Erfahrung nachvollziehen kann. Ich wünsche mir für dich, dass du einen Weg aus dieser katastrophalen Situation herausfindest in ein für dich gutes Leben. Deshalb möchte ich gern meine Gedanken dazu mit dir teilen. Ich weiß aus Erfahrung, dass meine Haltung nicht von jedem geteilt wird und vielen radikal erscheint. Deshalb halte ich mich damit meist auch etwas zurück. Also, falls das alles überhaupt nicht vorstellbar ist für dich, dann ist das auch vollkommen ok!
Du bist gut so wie du bist. Nicht nur gut genug, sondern gut!
Du bist für dich selbst verantwortlich. Du trägst die Verantwortung dafür, dass es dir gut geht.
Du hast das Recht, dafür zu sorgen, dass es dir gut geht. Dafür darfsft du auch Maßnahmen ergreifen, die nicht jedem gefallen.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Familiensituation ein Dreh- und Angelpunkt für dich ist. Zwar anders gelagert aber auch bei mir war ein familiäres Thema ein Knackpunkt dafür, dass vieles in meinem Leben nicht rund lief. Nur ich wurde rund. Ich möchte nicht öffentlich im Detail drauf eingehen, lade dich bei Interesse aber herzlich ein, mir eine PN zu schreiben.
Deine Eltern haben dich auf die Welt gebracht. Sie haben dich auch versorgt, als du es noch nicht allein konntest. Sie haben Sorge dafür getragen, dass du irgendwann in ein erwachsenes, selbständiges Leben aufbrichst. Und genau an diesem Punkt endet ihre Verantwortung. Und ihr Recht, über dein Leben zu bestimmen, darin einzugreifen und im Grunde sogar daran teilzuhaben. Bevor jemand aufschreit, natürlich ist es üblich (und schön), wenn die Eltern Teil des Lebens bleiben und auch die Meinung von Mama und Papa sind oft wichtig und gut. Sich gegenseitig zu unterstützen, ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit in Familien. Aber es ist kein Recht, das man beanspruchen darf. Genausowenig wie Eltern erwachsener Kinder einen Anspruch darauf haben, über das Leben der Kinder zu bestimmen oder einzugreifen, haben Sie ein Recht darauf, von ihnen unterstützt zu werden. Niemand, und das schließt deine Eltern ein, hat das Recht darauf, über DEIN Leben zu bestimmen!
Du hast natürlich die Wahl, ihnen vieles zuzugestehen. Und du hast auch die Wahl, sie zu unterstützen. In einem Umfang, der dir nicht schadet. Ich vertrete die Haltung, dass Beziehungen nur funktionieren, wenn ich auch etwas davon habe. Wenn sie mir gut tut und mein Leben bereichert. Unterm Strich. Ich spreche nicht von temporären Situationen. Natürlich höre ich mir das "Gejammer" meiner Freundin immer und immer wieder an, wenn ihr Freund schlussgemacht hat. Natürlich nehme ich meine privaten Unternehmungen zurück und stelle die Zeit meinen Eltern zur Verfügung, wenn sie einen Unfall hatten, krank sind oder aus anderen Gründen nicht alles allein packen. Es kommt die Zeit, in der es ihnen wieder besser geht und für mich da sind. Wenn das jedoch nicht der Fall ist und der andere immer nur nimmt, nimmt, nimmt und ich dann feststelle, dass ich überhaupt nichts zurückbekommen, dass der andere meine Energie raubt oder mir sogar emotional schadet (verbal oder nonverbal), dann hat diese Person meine Liebe und meine Loyalität verwirkt. Und da ist ist egal, ob das ein Freund oder ein Verwandter ist.
Liebe Jum, ich meine du schriebst auch mal von einem toxischen Umfeld. Das ist ganz furchtbar, weil es dich Stück für Stück vergiftet. Der Stress, den deine Familie verursacht, kann durchaus auch (mit)verantwortlich für dein problematisches Essverhalten sein. Ich bin kein Psychologe, nur Coach, daher habe ich nie gelernt, tiefe, psychologische Strukturen zu erkennen oder aufzulösen. Per Fern-Diagnose sowieso nicht ;-) Ich könnte mir jedoch gut vorstellen, dass das alles miteinander verquickt ist. Das ist es häufig und war es z.B. auch bei mir.
Ist alles einfach zu schreiben... mir ist vollkommen bewusst, dass wir uns nicht mal so easy peasy aus familiären Strukturen lösen können. Da ist immer dieses "Aber sie ist doch meine Mutter". Richtig, aber gibt es ihr das Recht, dich so zu behandeln, dass es dir schlecht geht? Nein!
Was ich von dir lese, zeichnet das Bild einer mitfühlenden, liebenden und liebevollen Person. Aber auch von einer, der das Wohl anderer immer näher am Herzen liegt als das eigene. Es gibt diesen doofen aber wahren Spruch: Du kannst erst dann gut für andere sorgen, wenn du für dich selbst sorgst. Ich glaube, das ist wahr. Wenn ich deine Beiträge zu deiner Familie lese, möchte ich dich packen und anschreien: Weg da! Die haben dich nicht verdient! Gib auf dich selbst acht! Aber das steht mir nicht zu. Also teile ich dir nur meine Gedanken mit.