Immer noch fühle ich mich oft, wenn auch nicht mehr immer - und tatsächlich auch immer weniger - als der "Gezwungene Mensch". Durch äußere Situationen genötigt mich irgendwie zu etwas oder mit jemandem zu verhalten.
Das Thema hatten wir schon öfter.
Es ist einmal der Zwang von außen, man möchte nicht als unhöflich gelten, man möchte
die Gastgeber, den Koch, die sich so viel Mühe gegeben haben, nicht vor den Kopf stoßen, man möchte nicht erklären müssen....man möchte geliebt werden, darauf läuft es letztendlich hinaus.
Das andere liegt aber an mir selbst, an meiner, ich nenne es mal Sucht.
Auch wenn ich mich frei entscheiden könnte, entscheidet mein Reptiliengehirn sich oft
für Essen und Trinken und meine arme Großhirnrinde gibt in vollem Bewusstsein,
dass sie eigentlich nicht möchte, nach.
Sehenden Auges ins Unglück sagt man dann.
Zwang von außen ist das Eine, z.B. nächsten Sonntag, da hat uns ein befreundetes Ehepaar zum
Essen eingeladen, sie kocht gerne und gut, wir werden nur zu viert sein.
Wir werden sehr gute Gespräche haben, aber ich kann da nicht am Tisch sitzen
und nichts essen oder das Essen sortieren.
Dass ich keine Dessert esse wissen inzwischen alle, es wird mir trotzdem immer wieder
angeboten und es macht mir überhaupt kein Problem, nein zu sagen.
Aber bei Sekt Rotwein, sehr gutem Rotwein, sieht es anders aus.
Es gibt einen Sekt als Aperitif, natürlich kann ich sagen, nein ich möchte nicht.
Aber dann gewinnt meine Sucht und ich denke, naja, ein Glas schadet nicht,
und das denke ich wider besseres Wissen. Denn schon nach einem Glas ist meine ganze
Willenskraft dahin.
In letzter Zeit war meine Strategie: Ich nehme mir gar nicht vor, weniger zu essen
und nichts zu trinken, erfahrungsgemäß schaffe ich es ja doch nicht, ich genieße ohne
schlechtes Gewissen und bügele das dann in den nächsten Tagen wieder aus.
Aber diese Ausbügeln hat nicht funktioniert, auf diese Weise ich habe ich zwölf Kilo
zugelegt.
Ich bin ratlos und auch traurig.
Es läuft so gut zur Zeit, ich nehme ab, ich esse, was mir schmeckt, ich bin satt,
ich fühle mich gut, ich schlafe besser,
und das wird durch eigentlich sehr schöne Erlebnisse zunichte gemacht.
So einfach. Und schon ist alles wieder Eins mit mir.
Leider ist es bei mir nicht so.