Nee, nee, das ist dann schon meins -erstmal.
Aber mal zu etwas anderem. Gestern lief ja das Finale von The biggest looser. Ich muss gestehen, dass ich auch gestern erst später eingeschaltet habe und generell das erste mal bewusst geschaut habe.
Die Sendung war ein paar Minuten vorbei, als meine Mama anrief, um ihr Erstaunen Luft zu machen. Sie konnte es nicht fassen, dass Menschen soetwas schaffen können, vor allem in der Zeit.
Wir unterhielten uns also über Essen, Essverhalten usw. Da ist mir erstmal bewusst geworden, was Essen in meinem Leben überhaupt für eine Bedeutung hatte.
Innerhalb einer Diät (egal welche) achtet man darauf, was man isst. Man zählt Kalorien, Punkte, Nährstoffwerte usw. Bei jedem Bissen in etwas verbotenes überkommt einen das schlechte Gewissen, etwas falsches gegessen zu haben. Nur nimmt das Ausmaße an, als ob man etwas sehr schlimmes getan hat. Man isoliert sich vor sich selbst.
Mit Selbstlügen belässt man es bei dem einen Ausrutscher, während man herzhaft in die nächste Sünde beißt. Dann mache ich halt morgen weiter, lauten die vielversprechenden Selbsttäuschungen. Wohlwissend, dass es schon zu Ende ist. Man gesteht sich ein, dass man es wieder mal nicht geschafft hat. Vorbei der Zwang. Jeder kennt einen so, wie man ist, also kann man auch wieder normal essen und man wird auch nicht für einen von vornherein zum Scheitern verurteilten Diätversuch belächelt.
Aber so ist es nicht. Mir wurde gestern klar, dass Essen auch ohne Diäten ständig in meinem Kopf war. Das Sättigungsgefühl war nicht mehr vorhanden. So habe ich mir nachgenommen, 1 x, 2x, 3x. Es wäre wahrscheinlich öfters gewesen, wäre die Scham vor anderen (ja, selbst vor einen verständnisvollen Ehemann) nicht zu groß gewesen. Erfahrungen damit habe ich gesammelt, wenn ich alleine war. Ich konnte Reste nie weg werfen, sie wurden zur Not aus dem Topf gegessen. Ich habe auf das Essen meiner Kinder geschielt, während ich meine eigene Ration in mich rein schaufelte. Glücklich darüber, wenn sie nicht mehr wollten. Die Mama macht das schon.
Beim Grillen habe ich mir viel Fleisch aufgeladen und den Teller mit verschiedenen Salaten (nein, nicht die knackigen, sondern Kartoffelsalat, Nudelsalat etc.) verziert. Schon beim ersten Bissen war ich wehmütig, weil ich wusste, ich würde nicht noch so eine Portion nehmen, aus Angst vor demütigen Blicken, wie man nur soviel essen kann. Dankbar für jede Salatschüssel, die nur noch eine halbe Portion beinhaltete. "Das könnt ihr jetzt auch noch leer machen!". IHR! Alle sind satt. Nur ich nicht. Ich freue mich über die 'Erlaubnis' nochmal zuschlagen zu dürfen. Es wurde mir ja praktisch aufgedrängt. Es war egal, wie ich zum Essen kam. Hauptsache ich konnte es für mich entschuldigen.
Die Liste der Ausreden ist lang:
-ich konnte das nicht wegschmeißen
-ich weiß auch nicht, heute könnte ich ein halbes Schwein auf Toast essen
-ich hab den ganzen Tag noch nichts gegessen
-ihr habt gesagt, macht die Reste leer
usw.
Auf großen Feiern mit Buffetauswahl viel es denen auf, die wirklich darauf achteten. Zu Anfang, wenn alle gegessen haben, hat man sich auch den Teller gefüllt mit all den Leckereien. Da man nie alles eines Buffets auf einen Teller bekommt, um auch wirklich alles probiert zu haben, fällt auch der zweite Gang nicht so auf. Doch dann wird es kriminell. Man umschirmt den Teller mit den Armen und versucht ihn vergeblich vor den anderen zu schützen. Es soll keiner sehen, wieviel drauf ist. Vielleicht glauben sie ja, dass man sich zurück gehalten hat, was den dritten Gang entschuldigen würde. Danach ist aber Schluss. Es reicht, wenn man über die Figur lästern kann, sie brauchen nicht auch noch lästern, dass man EINMAL über die Strenge schlägt, so ein Essen gibts schließlich nicht jeden Tag. Also noch das Dessert, was ja alle Essen.
Danach Smalltalk, Tanz, lachen usw. Was auch immer. Nach einiger Zeit lohnt sich der Gang zum Buffet wieder. Alle sind beschäftigt, keiner ist mehr beim Essen. Man geht vorbei und schnappt sich irgendwas handliches. Etwas, wofür man keinen Teller braucht, was man schnell mal zwischen die Zähne schieben kann. Hat ja keiner mitbekommen. Ach und hier von probier ich auch noch und das da vorne war auch sehr lecker.
Das macht man dann in regelmäßigen Abständen, immer in der Sicherheit, dass es keiner mitbekommt, weil man ja unregelmäßig regelmäßig kleine Happen zu sich nimmt.
Zu späterer Stunden laufen die ersten mit gefüllten Tellern rum. Zeit für das Buffet die Zweite. Juhu, alle anderen, dann ich auch. Ein paar flotte Sprüche zum erneuten Gang zum Buffet und den erneut gefüllten Teller. Danach das gleiche Prozedere mit den Häppchen. Es ist so viel über geblieben, natürlich nehme ich gerne etwas mit.
Ab nach Hause, dort schon mal vorprobiert. Mmh, wie lecker. So eine Feier lohnt sich doch immer wieder. Wenn man dann im Bett liegt und ein Fazit ziehen würde, bestand die Feier nicht aus feiern, tanzen, Spaß haben. Man versuchte die ganze Zeit nur so unauffällig wie möglich, so viel wie möglich vom Buffet abzubekommen. Schließlich bekommt man das nicht täglich.
Nach sovielen herzhaften Sachen ist am nächsten Tag erstmal Zeit für etwas Süßes. Kuchen, Schokolade, egal. Hauptsache erstmal den unbändigen Hunger stillen. Dazu die Reste vom Buffet und man hat ja auch noch eingekauft. Also wird das auch gekocht. Alle anderen sind satt. Ja, soll ich das jetzt wegschmeißen? Also wird ein zweites Mahl vorbereitet, ganz für sich selbst. Alles Kostverächter.
Der Blick auf der Waage, würde an Selbstkasteiung grenzen. Auf die Waage steigt man nur, wenn man etwas positives erwartet oder eine Diät einleiten will.
Morgens im Einkaufsladen wird sich schon Gedanken gemacht, welche Knabbereien man mitnehmen kann, wenn man sich abends vor den Fernseher pflanzt. Dabei hatte man sich gar nicht vorgenommen, sich einen Film oder eine Sendung anzugucken. Aber zur Not, kann man das ja trotzdem Essen, auch ohne offiziellen Knabber-Fernseh-Abend.
Außerdem ist man schon wieder hungrig. Es landet viel mehr im Einkaufskorb, wie geplant war. Das ist aber alles noch gefroren, roh, unzubereitet. Also kurz beim Minibäcker des Supermarkts noch schnell ein süßes Teilchen oder auch zwei. Ich fahr ja mit dem Auto, da sieht das keiner.
Wenn ich so zurück blicke, merke ich erstmal, was für eine Rolle das Essen für mich gespielt hat. Natürlich habe ich nicht kontinuierlich in mich reingestopft, aber es hatte sich doch auch so wie oben beschrieben zugetragen. Nie essen ohne darüber nachzudenken, ob irgendwer auf den Teller guckt, ob die Gabel zu voll ist, ob man zu gierig isst, ob man zuviel auf den Teller hat, ob man nochmal etwas holt, ob man auffällt, ob sie jetzt schlecht reden usw. Nie ohne den täglichen Verlust des Sieges über sich selbst. Beim Blick in den Spiegel in schwachen Momenten hätte ich so oft heulen können und war gleichzeitig sauer auf mich, warum ich es nicht schaffte, diesen vermeindlich unstillbaren Hunger zu bändigen. Ich wollte doch nichts lieber, als normal aus zu sehen und einfach mal satt sein. Sich an Schokolade wirklich erfreuen können und nicht die Tafel essen, als wäre es ein halber Teelöffel voll Medizin, den man einfach nur vernichten musste. Ich weiß nicht, wieviele leckere Sachen ich einfach nur verschlungen habe, ohne wirklich mitbekommen zu haben, wie gut sie schmecken oder dass ich sie überhaupt in der Menge vertilgt habe.
Jetzt, wo ich etwas esse und satt werde, wo es Spaß macht zu essen, ich das ganze genießen kann, weil es so lecker ist usw. hat sich mein ganzes Denken verändert. Es ist nicht nur diese Zahl auf der Waage, die einen freuen lässt. Man kann essen und man denkt nicht mehr darüber nach, ob jemand guckt oder nicht. Ich esse nicht mehr maßlos. Ich schiele auch nicht auf die Reste von anderen. Es ist kein quälendes Gefühl mehr da, dass ich noch mehr brauche. Ich weiß nicht wie oft ich mir gewünscht habe, mich endlich mal richtig satt zu essen. Ich glaube, ich habe es nicht erreicht, weil es gar nicht möglich war. Eher hätte ich wegen Bauchschmerzen aufgehört, als etwas stehen zu lassen, weil es doch so gut geschmeckt hat und so eine beruhigende Wirkung hatte, wenn man einfach mal gegessen hat.
Jetzt geht das alles ohne. Ich vergesse manchmal sogar das Essen. Ich achte natürlich auf die Kohlenhydrate und ein kleiner Blick fällt auch auf die Kalorien. Aber das passiert, wenn ich mir etwas zubereite oder überlege, was ich mir zubereiten könnte. Zwischen den Mahlzeiten ist es schlicht weg egal. Da haben jetzt andere Dinge ihren Platz. Essen ist als solches nicht mehr wichtig.
Das waren meine Gedanken, die sich im Gespräch mit meiner Mama gestern entwickelt haben. Ich wollte sie mal mitteilen, weil sie auch für mich eine erschreckende Erkenntnis waren und gleichzeitig eine tiefe Dankbarkeit, dass ich den Strudel endlich entkommen bin.
Steffi