Eine Reihe von Stresshormonen spielt eine wichtige Rolle im Stoffwechsel. Die wichtigsten sind:
Adrenalin und Noradrenalin:
ß-adrenerge Effekte bewirken im Einzelnen:
- erhöhen im Zuge der Sympathikusaktivierung Blutzucker und Blutfette
Glukokortikoide:
- Steigerung der Glykogenolyse in Leber und Muskel
- Stimulation der Glukagonfreisetzung, dies führt ebenfalls zu Glykogenolyse, Lipolyse und Glukoneogenese in der Leber
- Steigerung der Lipolyse
- Zunahme der Glukoseaufnahme im Muskelgewebe
- Hemmung des insulinvermittelten Glukoseverbrauchs
Cortisol führt zu:
- Der durch Kortikoide induzierte Steroiddiabetes ist schon lange bekannt.
Für Kampf oder Flucht wird Energie in Form von Glukose und Blutfetten bereitgestellt. Allerdings erhöhen Katecholamine und Cortisol die Insulinresistenz (Hemmung des insulinvermittelten Glukoseverbrauchs). Dies erscheint auf den ersten Blick nicht sinnvoll. Tatsächlich wird aber bei akuter Belastung der Glukosetransport in den Muskel verbessert, indem der Glukosetransporter (GLUT4) unter Umgehung des Insulinsignals in der Zellmembran bereitgestellt wird. Der genaue Mechanismus für die akute, insulinunabhängige Anpassung ist nicht völlig geklärt. Einflüsse von Kalzium und NO werden vermutet. Dieser Mechanismus kommt natürlich nicht zum Tragen, wenn wir uns im Stress nicht bewegen und die Muskelzellen keinen Energiebedarf haben. Die Steigerung der Stresshormon-induzierten Insulinresistenz bleibt jedoch bestehen, die chronische Stressreaktion hat dadurch einen fördernden Einfluss auf die Entwicklung des metabolischen Syndroms. Andererseits erklärt die insulinunabhängige Glukoseaufnahme in den Muskel, warum Sport die wichtigste therapeutische Maßnahme bei Diabetes ist.
- Stimulation der Glukoneogenese in der Leber
- Hemmung des insulinvermittelten Glukoseverbrauchs
- Steigerung der Lipolyse
Lipolyse:
Durch Adrenalin, Noradrenalin, Glukagon, Cortisol, und ACTH wird Fett aus den Adipozyten mobilisiert, dadurch steigt das LDL-Cholesterin, es kommt zu einer Steigerung der Entzündungsreaktion und zu Gefäßschäden.
Hyperglykämie und Entzündung:
Die stressinduzierte Hyperglykämie, die Insulinresistenz und die erhöhten freien Fettsäuren fördern die entzündliche Aktivität („silent inflammation“), diese verstärkt wiederum die Insulinresistenz, womit ein Circulus vitiosus entsteht.
Stress und Adipositas:
Die Hyperglykämie führt zu vermehrter Insulinausschüttung, dies fördert die Insulinmast. Während der akuten Stressreaktion (Sympathikus?, Parasympathikus?) ist der Appetit vermindert, in der darauf folgenden Cortisolphase kommt es zu Heißhunger, Cortisol führt zur Zunahme des Bauchfettes (s. M. Cushing). Das Kortikoid-abhängige Gen LMO3 und das Enzym 11(Beta)HSD1 fördern die Bildung von Fettzellen und sind verantwortlich für die Umverteilung des Fettgewebes in Richtung Bauchfett.3 Die Vermehrung des Bauchfetts fördert wiederum die entzündliche Aktivität (Adipozyten bilden selbst IL-6 und TNF-a), es entsteht ein weiterer Circulus vitiosus, welcher die Insulinresistenz verstärkt. Bekannt ist, dass viszerales Fettgewebe und Insulinresistenz das Risiko für Prädiabetes und Diabetes erhöhen.
An sich ist während der akuten Stressreaktion der Appetit vermindert (s.o.), allerdings haben viele Menschen soziokulturell bedingt gelernt, auch appetitlos zu essen (Stressessen, Frustessen, Trostessen, Belohnungsessen etc.). Eine in der Schweiz durchgeführte Studie5 zeigte, dass die Selbstkontrolle unter Stress abnimmt. Probanden (die behaupteten, gerne gesund zu essen) wurden gestresst, dann wurden ihnen unter MR-Kontrolle Fotos von Speisen vorgelegt. Im Vergleich mit einer Kontrollgruppe wählten die Gestressten vermehrt die ungesunden (= kalorienreicheren) Speisen. Gleichzeitig zeigten sich im MR veränderte Muster im Striatum und den Amygdalae (zuständig für Selbstkontrolle).
Stress und Diabetes Typ 2
Zahlreiche Studien belegen den Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Stress sowohl in der Entstehung als auch im Verlauf. Es können hier nur wenige exemplarisch vorgestellt werden:
Eine große Augsburger Studie6 mit über 5300 Teilnehmern und einer Laufzeit von 13 Jahren zeigte, dass Menschen, die am Arbeitsplatz ständig überfordert wurden, gleichzeitig aber keine Kontrolle über ihre Tätigkeiten hatten, zu 45 Prozent häufiger an einem Typ-2-Diabetes erkrankten als Personen mit geringer Belastung.
Eine Metaanalyse von Studien mit Diabetikern mit Angststörungen7 ergab, dass Angst hochsignifikant (p=0,003) mit Hyperglykämie assoziiert war.
Eine Studie verglich neu diagnostizierte Typ-2-Diabetiker mit Personen mit normaler Glukosetoleranz, wobei Erstere signifikant mehr über chronischen Stress berichteten als Letztere.8 Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass chronischer Stress signifikant mit Glukoseintoleranz, Insulinresistenz und Diabetes assoziiert war.
Erwähnt werden muss, dass nicht alle Studien einen Zusammenhang zwischen Stress und Hyperglykämie bzw. Diabetes finden. Dies dürfte daran liegen, dass die Stressreaktion sich individuell sehr unterschiedlich auf verschiedene Teilbereiche des Organismus auswirkt (z.B. gibt es viele Menschen, die trotz Stress einen niedrigen Blutdruck haben).
Stress und Diabetes Typ 1
Die ABIS-Studie9, 10 untersuchte über 17 000 Familien zum Zeitpunkt der Geburt eines Kindes und ein Jahr danach Autoantikörper beim Kind. Bei 4400 Familien mit erhöhter Stressbelastung rund um die Geburt fanden sich 1 Jahr danach erhöhte ß-Zell-Antikörper beim Kind. Bei fast 6000 Familien mit schwerer psychischer Belastung der Mutter in den ersten 2,5 Jahren fanden sich ebenfalls erhöhte ß-Zell-Antikörper beim Kind. Die Ergebnisse waren unabhängig vom familiären Risiko für Typ-1-Diabetes.
Die DiPiS-Studie11 untersuchte fast 32 000 Mütter und ihre Neugeborenen und ergab, dass psychische Belastungen der Mutter während der Schwangerschaft mit höheren Konzentrationen von Auto-AK gegen Insulin im Nabelschnurblut korrelieren.
Eine Metaanalyse12 zum Thema zeigte in 9 von 10 Studien eine Korrelation zwischen frühem elterlichem Stress und einem erhöhten Risiko des Kindes für Typ- 1-Diabetes, sowohl für die Induktion als auch die Progression.
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