AW: Tagebuch von Spinateule
Hallo,
nach einer Ewigkeit wollte ich mich hier einmal zurückmelden. Der nachfolgende Text wird recht lang werden und ich will hier auch kein Mitleid abgrasen.
Allerdings habe ich mich hier immer sehr wohl gefühlt und mit einigen netten Menschen geschrieben und irgendwie fände ich es traurig nun nichts mehr von mir hören zu lassen bzw. keinen Grund zu nennen warum ich so still geworden bin.
Wie man aus meinen letzten Beiträgen sehen konnte, ging es mir ja auf einmal nicht wirklich gut. Laut Ärzten war ja alles tutti, nur ich hatte das üble Gefühl, dass etwas mit mir ganz und gar nicht stimmen sollte. Leider hatte ich damit auch recht.
Anfang Mai bin ich eines Morgens mit einer gelähmten Gesichtshälfte aufgewacht. Ich fühlte mich auch sonst schäbig. Eine Neurologin, welche ich am selben Tag aufsuchte, unterstellte mir ein Vorspielen um gelben Urlaub zu bekommen. Abends war die Gesichtslähmung weg. Vom nächsten Tag an verabschiedeten sich nach und nach diverse Körperfunktionen. Am darauffolgenden Tag habe ich dann meine Sachen gepackt und habe mich ins Krankenhaus gebracht.
Dort habe ich drei Tage bei völlig wachem Verstand, jedoch teils blind, gehörlos und leider auch sprachlos verbracht. Ich konnte mich nicht mehr aufrecht halten und dann stellte sich auch eine Halbseitenlähmung der rechten Körperhälfte ein. Ein Schlaganfall wurde ausgeschlossen, da es keinen Blutaustritt im Gehirn gab.
Nach einer unglaublich beschissenen Lumbalpunktion, fand man eine chronische Entzündung meines ZNS und begann nach Multipler Sklerose zu fahnden. Dies wurde dann auch derzeit ausgeschlossen. Ich hab zwar ne chronische Entzündung im ZNS, aber niemand weiß woher.
Als nächste Auslösemöglichkeit fand man ein Loch in meiner Herzscheidewand. Aber auch dieses ist (zum Glück) zu klein, um solche Symptomatiken auszulösen.
Nachdem sowieso niemand wusste was ich hatte und es auch nichts mehr zu untersuchen gab, entließ man mich nach Hause. Der MS Verdacht blieb und man nannte es eine "wait and see"-Diagnose. Ja, fein.
Netterweise wurden im Krankenhaus meine mehrmals täglichen Hinweise auf die immer wieder plötzlich auftretende Blindheit auf meinem rechten Auge ignoriert. Der Stationsarzt fuhr mich irgendwann an, dass es keinen Sinn machen würde.
Tja, machte leider doch Sinn, denn ich hatte eine Netzhautablösung auf dem rechten Auge. Gott sei Dank konnte mir die Netzhaut am Glaskörper gelasert werden und bis jetzt halten die Nähte gut.
Auf Hilfe ärztlicher Seite, konnte ich danach dann auch nicht zählen. Meine langjährige Hausärztin hat mich aus ihrer Praxis geschmissen, als ich sie zur weiteren Betreuung aufsuchte, weil mein Fall ihr zu riskant wäre. Sie konnte es aber vorher nicht unterlassen mir einen baldigen Tod zu prophezeien. Das war dann immerhin das erste Mal seit der ganzen Schice, dass ich weinen konnte, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Nach einem kurzen Zwischenstop bei einem Arzt, der noch eine kürzere Zündschnur als Klaus Kinski hatte und auch nichts für mich tun wollte, außer sich über meine Halbseitenlähmung lustig zu machen ("Sie laufen durch meine Praxis wie die Prinzessin auf der Erbse auf Valium!"), habe ich dann einen neuen kompetenteren Hausarzt gefunden.
Besser wurde es damals auch nicht unbedingt, da man nun in meinem Blut irgendwelche zellkernzerstörende Zellen fand und meine Blutsenkungsgeschwindigkeit astronomische Werte erreicht hatte. Nun suchte man auf einmal nach Lupus, Knochenmarkkrebs und anderen Hässlichkeiten.
Auch hier zum Glück ergebnislos.
Fazit: Niemand weiß was ich hatte und seitens der Ärzteschaft bestand auch kein großes Interesse sich mit mir kompliziertem Pflänzchen zu beschäftigen.
Status heute: Halbseitenlähmung ist zum Glück wieder verschwunden und tritt nur sporadisch leicht wieder auf. Ich hab eine extreme Geräuschempfindlichkeit und Lichtempflindlichkeit zurückbehalten. Und ich bin sehr schnell erschöpft. Und ich bin noch ein bisschen zynischer als zuvor geworden.
Aber den Luxus erlaube ich mir mal nach meinen Erlebnissen.... Achja und ein ganz besonderes Fest der Freude: neurologische Ausschläge aka Gürtelrose, wahrscheinlich ausgelöst durch die extremst fachmännisch durchgeführte Lumbalpunktion im Durchzug und jeder Menge Gepopel in meinem Rückgrat.
Den Neurologen lasse ich alle paar Wochen brav meine Reflexe prüfen. Auf was anderes haben der und ich auch keine Lust. Ansonsten mache ich derzeit einen großen Bogen um die Ärzteschaft, da ich es nicht mehr ertrage permanent mit einer beschissenen Verdachtsdiagnose nach der anderen belegt zu werden.
Im Zuge meines persönlichen Marathon des Grauens, habe ich auch wieder zu meinem alten ungesunden (Fr)Essverhalten zurückgefunden und kann mittlerweile einen Spitzenwert von 99 Kg vorweisen. Was bedeutet, dass ich seit Dienstag wieder in Ketose bin und einen Weg suche, mich wieder wohler zu fühlen.
Ich werd hier auch nicht jeden Tag ausführlich schreiben. Aber ich wollte mich wenigstens mal erklären, weil ich dieses "auf einmal verschwunden" nicht so gut leiden kann.
Eine Bitte habe ich noch: Bitte keine Empfehlungen bzgl. zum Arzt zu gehen. Ich erfülle meine Pflicht in dem ich alle paar Wochen brav beim Neurologen aufschlage, den Augenarzt seine Arbeit machen lasse und engen Kontakt zu meiner Heilpraktikerin habe. Vom Rest der Ärzteschaft habe ich die Schnauze voll und allein der Gedanke an die nächste dümmliche Aussage eines selbigen lässt mir Fangzähne wachsen. Die haben ihre Chance gehabt zu finden was los ist und wissen es nicht. Davon mal abgesehen habe ich eine etwas andere Einstellung zum Leben, weil ich seit ich 19 bin schon häufiger drum kämpfen musste. Danke
LG,
Eule